Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
rührte sich nicht. Ich drückte die Nadel durch die ganze Brust und zog den Faden durch. Dann tat ich das Gleiche mit einem neuen Faden noch einmal, so dass die Brust kreuzweise durchstochen war. Die Frau lag immer noch ruhig; ich vergewisserte mich, dass sie tief und regelmäßig atmete. »So, Meister Maulprat, jetzt nehmt die beiden Fäden und hebt die Brust Eures Weibes damit an, so straff Ihr könnt«, bat ich den Ehemann. Er trat an den Tisch und zog gehorsam hoch, während ich zum Messer griff. Ein schneller Schnitt, noch einer und noch einer, dann baumelte die blutige Brust an den Flachsfäden. Die Maulpratin wimmerte und zuckte mit den Beinen, wachte aber nicht auf. Ich schob den Meister zur Seite, holte mir das Brenneisen und drückte es zweimal kurz auf die stark blutende Wunde. Es roch verbrannt. Dann war es vorbei. Die Maulpratin stöhnte. Ihr Mann, der Metzger, erbrach sich in eine Schüssel.
Dann warteten wir voller Sorge. Und, Adonai sei bedankt, keine Stunde später war die Patientin wieder wach. Sie wirkte benommen und litt starke Schmerzen, aber augenscheinlich hatte sie die Operation gut überstanden. Ihre größte Sorge war, die abgetrennte Brust dem Totengräber zu übergeben, der sie ordentlich bestatten sollte, damit ihr Körper am Jüngsten Tag vollständig in die ewige Herrlichkeit eingehen konnte.
Meister Maulprat war so erleichtert und dankbar, dass ihm Tränen in den Augen standen. Er bezahlte mich großzügig und fragte, ob er denn sonst etwas für mich tun könne. Mir fielen die anderen ein, die immer noch vor der Stadt lagern mussten. »Wisst Ihr nicht einen Platz innerhalb der Mauern für meine Freunde, die Spielleute?« Er grübelte eine Weile, während ich seiner Frau den Verband anlegte: Myrrhentinktur auf einem Stück Stoff, darüber eine Schicht aus Gänsefedern, Flachs und frisch geschorener Wolle, dann Leinenstreifen. Als ich fertig war, nickte er mir zu.
Und so kam es, dass Pirlos Truppe tags darauf in die Stadt umzog, in einen ehemaligen Viehpferch, der der Metzgerszunft gehörte. Er lag in der Nähe der Marktstätte bei der Brotlaube, wo die Konstanzer Bäcker Brot und Wecken feilboten. Auch ich und Gutlind verlegten nun unsere Karren dorthin, und so waren wir wieder alle vereint.
Konstanz, Anfang März 1415
Verdammt, pass doch auf, Hanswurst!« Ezzo machte einen Sprung zur Seite, um dem Ellbogenstoß eines fluchenden Weinhändlers auszuweichen, den er gerade aus Versehen angerempelt hatte. Eilig und ganz in Gedanken hatte er die Brückengasse beim Kloster Zoffingen überquert und nicht auf seinen Weg geachtet. Eine Dominikanernonne, die zur gleichen Zeit aus dem Portal trat, schüttelte missbilligend den Kopf.
Sieben Mal war er in den letzten Wochen über die hölzerne Rheinbrücke marschiert, zur Abtei Petershausen, wo der König residierte. Damit ihn niemand erkannte, hatte er die typischen Kleider des Gauklers getragen: Bunte Hosen, ein Bein gelb, das andere grün, ein gepolstertes Oberteil mit Zaddeln und Schlitzen und eine zipfelige Gugelhaube, die sein Gesicht beschattete. Der König hatte Ezzo schließlich vom Hof verbannt, wer wusste, welche Strafe ihn im Falle einer Entdeckung erwartete!
Jedes Mal hatte er im Kloster vorgesprochen, hatte gebeten, eine Nachricht an die Königin weiterzugeben, und war rüde abgewiesen worden. Die Königin sei auf Umritt, hatte es geheißen, und er solle sich trollen. Heute endlich war er an einen redseligen alten Pförtner geraten, der ihm erzählte, dass Barbara von Cilli zwar wieder in Konstanz sei, aber nicht in Petershausen. Es hieß, das hohe Paar habe sich gestritten, weshalb die Königin irgendwo in der Stadt Quartier bezogen hätte.
Ezzo machte sich sofort auf die Suche. Oh, er wusste inzwischen, dass das Dominikanerkloster am See die italienische und die französische Gesandtschaft beherbergte, während der Papst im Augustinerkloster zu Kreuzlingen residierte. Der Erzbischof von Magdeburg mit 36 Pferden und Gefolge wohnte im Haus zur Tule. Er kannte die Aufenthaltsorte der Gesandten des dänischen Königs, der englischen, schottischen und irischen Abordnung, des Mainzer Kurfürsten mit zweihundert Gefolgsleuten. Dort brauchte er gar nicht mehr vorbeizuschauen. Er vermutete, dass Barbara von Cilli mit ihrem Hofstaat eines der anderen großen Bürgerhäuser bezogen hatte.
Mit Späherblick stapfte Ezzo durch die Stadt, lehnte die unvermeidlichen Flugblätter ab, die man ihm in die Hand drücken wollte, hielt Ausschau
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