Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
der sieht man die Hure überhaupt nicht an.«
Finus hob neugierig den Kopf. »Wen meinst du?«, fragte er.
Ciaran winkte ab. »Ach, vergiss es.«
Aber jetzt redeten die anderen auf ihn ein. Weinselig wie sie waren, ließen sie nicht locker. Immer wieder schenkten sie Ciaran nach. Sie quälten ihn so lange mit Fragen, bis er schließlich die Hände hob und aufgab. »Also gut, ich sag’s euch.« Er flüsterte: »Ganz unter uns: Es ist die Königin.«
»Guter Witz!« Pirlo und Schnuck wieherten, Finus kicherte. Nur Ezzo wirkte auf einmal wieder nüchtern. Er langte mit beiden Händen über den Tisch, packte Ciaran beim Kragen und sagte leise, aber deutlich: »Nimm das zurück!«
Ciaran riss verblüfft die Augen auf. »Was soll das? Lass mich gefälligst los, he, du bist ja besoffen!«
»Ich bin stocknüchtern, mein Freund, und ich sage dir noch mal: Nimm das zurück!«
Ciaran schüttelte trotzig Ezzos Hand ab. »Ich denk ja gar nicht dran.« Er sah auffordernd in die Runde. »Wollt ihr wissen, warum, ja? Dann erzähl ich’s euch, aber – pssst! Also, vor ein paar Wochen waren ich und Meli ins Hohe Haus geladen … « Er ließ nichts aus, nicht den Ehebruch und nicht die politischen Ränkespiele, deren Zeuge er geworden war. Als er geendet hatte, hieb Pirlo mit der Faust auf den Tisch. »Das ist mal eine Geschichte! Verdammt schade, dass man die nicht weitererzählen kann.«
Ciaran nickte. »Ganz genau. Das behalten wir schön für uns – hast du gehört, Finus? Sonst kann es gefährlich werden. Und, Ezzo«, wandte er sich an sein Gegenüber, »was sagst du nun?«
Ezzo war die ganze Zeit über wie erstarrt dagesessen. Er sah Ciaran mit wildem Blick an, seine Kiefer mahlten. Dann stand er mit einem Ruck auf und verließ die Schänke.
Draußen stand er mit dem Rücken gegen die Hauswand und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Seine Fäuste waren geballt, auf den Unterarmen traten die Adern wie Stränge hervor. Ihm war, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Frau, die er liebte, hatte ihn belogen, betrogen, benutzt. Es war sinnlos, sich zu wünschen, dass Ciaran nicht die Wahrheit gesagt hatte. Ciaran hatte keinen Grund, zu lügen.
Ezzo ging ohne Ziel durch die dunklen Gassen, wich Beutelschneidern, Betrunkenen und Liebespärchen aus, überquerte die untere Marktstätte, lief am Spital entlang. Eine Zeitlang verweilte er am Seeufer, sah dem Spiel des Mondlichts auf den Wellen zu. Es war schon bald Mitternacht, als er am Franziskanerkloster vorbeikam, dann an der Leutekirche Sankt Stefan. Und ohne dass er seine Schritte bewusst gesteuert hatte, stand er plötzlich vor dem mit Fackeln beleuchteten Tor des Hohen Hauses. Er klopfte heftig an die Tür, und der Torwart öffnete ihm. Der Mann kannte ihn noch, schüttelte aber trotzdem den Kopf. »Es ist spät, Spielmann. Gäste sind auch keine mehr da. Komm morgen wieder.«
Ezzo schob ihn zur Seite und stürmte die Treppe hoch. Der Torwart rief noch: »Halt!«, und rannte ihm nach. Ezzo fand seinen Weg durch den dunklen Gang, riss die Tür zu dem kleinen Kaminzimmer mit dem Diwan auf und platzte in den Raum. Gleichzeitig setzte ihm der Wächter von hinten seinen Dolch an die Kehle.
Auf dem Lotterbett vor dem offenen Feuer saß der Burggraf von Nürnberg, nur in Hemd, Bruoche und Strümpfen. Er war erschrocken aufgesprungen und hatte nach dem Schürhaken gegriffen, aber als er sah, dass Ezzo bis auf sein Essmesser unbewaffnet war, legte er ihn wieder weg. Die beiden Doggen hatten sich aufgesetzt und knurrten.
»Wer seid Ihr, Herr, und was verschafft mir die Ehre Eures späten Besuchs?«, fragte der Herr des Hauses mit leise drohendem Unterton.
»Ezzo von Riedern, Liebden, und ich habe mit Euch zu reden.« Ezzos Stimme klang schneidend.
Der Burggraf gab seinem Torwart das Zeichen, zu gehen. Dann wandte er sich betont freundlich an seinen nächtlichen Besucher. »Ah, jetzt erkenne ich Euch wieder! Ihr seid dieser junge Ritter aus Buda, der so unsterblich in die Königin verliebt war!«
»Und Ihr seid Friedrich von Zollern, der Beischläfer derselben«, zischte Ezzo.
Bevor der Burggraf aufbrausen konnte, wurde ein Vorhang zur Seite geschoben, und Barbara kam barfuß aus dem Nebenraum. Sie hatte einen Nachtmantel umgeworfen, und es war unschwer zu erraten, dass sie darunter nackt war.
»Was tust du hier?«, herrschte sie Ezzo an.
Ezzo lachte leise auf. »Ich wollte mich nur mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es
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