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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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erklärte ihr, worum es ging. Das schlechte Gewissen plagte ihn schon dabei – schließlich konnte das Unternehmen entdeckt werden –, aber er fand einfach keine andere Lösung. Er beruhigte sich mit der Überlegung, dass die Wachen ein Eindringen durch das Fenster nicht bemerken würden, und von außen konnte er selber für Sicherheit sorgen. Ja, wenn man durch das Fenster in die Zelle kommen konnte, war das Wagnis gering; niemand rechnete schließlich damit, dass ein Mensch durch eine so kleine Öffnung passte.
    Meli war Feuer und Flamme, ihr schien das Ganze ein wunderbares Abenteuer zu sein. Sie bastelte sich noch am selben Tag aus Brettern ein kleines Quadrat und probierte aus, wie sie am besten durchschlüpfen konnte. Wenn sie zuerst mit beiden Armen hindurchlangte und dann den Körper nachschob, klappte es gerade so. Ezzo beschloss, schon in der folgenden Nacht das Unternehmen zu wagen.

    Nun standen sie unter dem winzigen Fenster der Hus’schen Zelle und spähten an der Fassade hoch. Ezzo hatte am Vorabend eine leichte Holzleiter dicht an der Mauer im hohen Gras versteckt, die er nun hervorholte und gegen die Wand lehnte. Sie reichte genau bis an die kleine Öffnung heran. »Hast du die Schnur?«, fragte er Meli, die schon den Fuß auf die erste Sprosse setzte. Die Kleine nickte; sie hatte die Rolle in ihren linken Schuh gesteckt. »Dann los.«
    In diesem Augenblick hörte Ezzo ein Geräusch. Er erstarrte. Gerade noch konnte er Meli am Fuß packen und festhalten, damit sie nicht weiterkletterte. »Kein Laut«, raunte er. »Beweg dich nicht.«
    Er zog einen der beiden Dolche, die er eingesteckt hatte und schlich in die Richtung, aus der das Rascheln und Knirschen gekommen war. Irgendjemand war da auf einen Zweig oder ein paar Steinchen getreten! Lautlos erreichte Ezzo die Ecke des Klostergebäudes. Hier stand ein wilder Schneebeerenbusch, dessen Zweige sich bewegten. Man erkannte ganz deutlich, dass diese Bewegung nicht vom Wind verursacht sein konnte. Ezzo spannte alle Muskeln an, dann machte er zwei schnelle Schritte und sprang. Mit der linken Hand bekam er eine Schulter zu fassen, riss im Fallen den Körper seines Gegners mit sich und warf ihn zu Boden. Mit seinem ganzen Gewicht legte er sich auf die zappelnde Gestalt und setzte ihr die Spitze seines Dolches auf die Brust. Der Überrumpelte schrie auf – und Ezzo kannte die Stimme!
    »Nicht! Um Gottes willen! Ich bin’s doch nur … «
    Finus!
    Ezzo ließ den Dolch sinken, rollte sich von dem Jungen herunter und blieb schwer atmend neben dem Jungen liegen. »Hölle und Pest!«, fluchte er leise, »Du könntest tot sein, du verdammter Esel! Was machst du überhaupt hier?«
    Finus setzte sich auf und grinste. »Ihr wolltet diesen Mordsspaß doch nicht etwa ohne mich unternehmen, oder?«
    Das reichte. Ezzo versetzte Finus eine Maulschelle, dass es klatschte. »Wir sprechen uns später noch«, knurrte er. »Jetzt komm mit.«
    Meli hatte sich unterdessen still an die Wand gedrückt. Es war schon bewundernswert, wie die Kleine in einer solchen Gefahr die Ruhe behielt, dachte Ezzo. Jetzt erklomm das Schlangenmädchen Schritt für Schritt die Leiter, lautlos und geschickt. Ezzo stand neben der Leiter und behielt aufmerksam die Umgebung im Auge; dabei hatte er Finus eisern am Handgelenk gepackt, damit der Junge nicht noch mehr Dummheiten machte. Noch war alles ruhig, und Meli erreichte ohne Schwierigkeiten das Fensterchen. Sie nahm die Seilrolle ab und warf sie durch die Öffnung ins Innere der Zelle. Dann streckte sie die Arme durch das quadratische Loch, zog erst eine Schulter, dann die andere nach. Es ging schlechter als gedacht – sie hatten beim Üben nicht einberechnet, dass die Mauer so dick war – es mussten über zwei Schuh sein. Sie konnte nicht mit den Händen von innen nachhelfen und musste sich deshalb allein mit den Füßen von der letzten Leitersprosse abdrücken. Sie nahm all ihre Kraft zusammen – dann hing sie in dem engen Fensterloch und kam weder rückwärts noch vorwärts.
    Finus merkte als Erster, dass Meli feststeckte, und zupfte Ezzo am Ärmel. »Ich geh hoch und helf ihr«, flüsterte er. Ezzo nickte. Es war besser, wenn er unten blieb und aufpasste. Also stieg Finus hinauf. Er griff sich die Füße des Schlangenmädchens und drückte nach, immer wieder ein kleines Stückchen. Es ging langsam, aber es klappte. Irgendwann waren Melis Schultern und Arme durch. Mit den Händen tastete sie zum Boden hin die Wand ab, bis ihre

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