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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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fiel ihr dieser Abschied so schwer? Er kam doch bestimmt wieder. »Was ist, wenn wir in ein paar Monaten nicht mehr hier sind?«, fragte sie. »Vielleicht ist das Konzil schon bald zu Ende, jetzt, wo der Papst verhaftet ist und Jan Hus tot … «
    »Ich habe mit Pirlo verabredet, dass er in der Schänke zum Kretzer eine Nachricht hinterlässt, wohin ihr zieht, falls das so sein sollte. Dann können wir euch nachreiten.«
    »Ja, dann … « Sara fiel nichts mehr ein.
    Er sah sie an und zwinkerte ihr mit einem Auge aufmunternd zu. »Du wirst mir fehlen«, sagte er. »Ihr alle.«
    Sie versuchte zu lächeln. »Viel Glück.«
    Ezzo nickte. Und dann tat er etwas, was ihn selber am meisten überraschte. Er nahm Saras Gesicht in beide Hände und küsste sie sanft auf den Mund. Ihre Lippen waren weich und schmeckten nach süßen Kräutern, die er nicht kannte.
    Viel zu schnell war der Augenblick vorüber. Er ließ sie los und räusperte sich verlegen. »Sag Ciaran, wenn er nicht gut auf dich aufpasst, bekommt er es mit mir zu tun«, meinte er.
    Dann wandte er sich um und ging.

    Sara stand noch eine ganze Weile vor ihrem Wagen. Ihre Augen brannten. Schließlich griff sie nach dem Mörser mit Fenchelsamen, den sie auf dem Treppchen abgestellt hatte, setzte sich und begann, die Körner mit runden, gleichmäßigen Bewegungen zu zerreiben. Als sie wieder aufblickte, sah sie Finus und Ezzo aus dem Lager reiten, der Junge auf einem robusten braunen Maultier, Ezzo auf seinem stolzen Schimmelhengst.
    Eine Träne tropfte in das duftende Pulver.

Sara
    Ich hatte an diesem Tag nicht lange Gelegenheit, über den Abschied von Ezzo nachzudenken und darüber, warum er wohl hatte gehen müssen. Kaum hatte ich den nächsten Kranken behandelt – einen alten Mann, der vom Schlagfluss halb gelähmt war und unter Verstopfung litt –, gab es draußen ein großes Geschrei. Ich steckte den Kopf aus meinem Fensterchen und sah, dass Jacko aufgeregt auf meinen Wagen zurannte, gefolgt von den anderen Zigeunern und Janka. Ich hörte erst nicht genau, was er mir zurief; ich verstand nur einen Namen: Schnuck. Und ich begriff, dass es ernst war.
    Noch bevor Jacko bei mir war, hatte ich schon meine lederne Tasche gepackt und war zur Tür hinaus.
    »Er ist abgestürzt!«, schrie Jacko. »Schnell, komm, ich glaube, er stirbt!«
    So schnell ich konnte, rannte ich hinter dem Zigeunerjungen her. Er führte mich in die Hütlinstraße, wo die Badestuben waren. Schon von Weitem sah ich das Seil, das Schnuck über die Gasse von Haus zu Haus gespannt hatte. Es hing hoch in der Luft, viel zu hoch – »je höher das Seil, desto voller der Beutel«, war immer Schnucks Wahlspruch gewesen. Eine kleine Menschenmenge hatte einen Ring gebildet, durch den ich mich nun drängte. »Lasst mich durch«, rief ich atemlos, »ich bin Medica, lasst mich durch.«
    Sofort öffnete sich eine Gasse, die mich ins Innere des Kreises leitete. Und dann sah ich ihn.
    Ganz verdreht und verkrümmt lag er auf dem Pflaster, wie eine Puppe, die ein Kind achtlos hatte fallen lassen. Die Augen waren geschlossen, das Gesicht schmerzverzerrt. Sein Atem ging flach und stoßweise. Jemand hatte ihm ein zusammengelegtes Kleidungsstück unter den Kopf geschoben und den Kragen aufgenestelt.
    Ich ging neben ihm in die Knie und wusste sofort: Hier kam jede Hilfe zu spät. Mir stiegen die Tränen in die Augen.
    »Der ist hin!«, hörte ich jemanden hinter mir sagen. Wütend drehte ich mich zu dem Mann um. »Ich bin Bader«, erklärte er und hob entschuldigend die Hände, als er meinen Blick sah. »Mit Knochen kenn ich mich aus, und der hier hat keinen mehr, der heil ist.«
    Er hatte ja recht. Ich nickte stumm und traurig. Dann legte ich Schnuck die Hand auf die Stirn. »Schnuck«, sprach ich ihn an, »Schnuck, kannst du mich hören?«
    Er drehte ganz leicht den Kopf, seine Lider flatterten. Ein leises Stöhnen kam aus seiner Kehle.
    »Ich gebe dir etwas zum Schlucken«, sagte ich und träufelte ihm Mohnsaft aus einer kleinen Phiole auf die Lippen. Er schluckte, hustete und schluckte wieder. Ich flößte ihm den ganzen Inhalt des Fläschchens ein. Er sollte wenigstens keine Schmerzen mehr haben. »Schlaf jetzt«, sagte ich und streichelte seine Wange, und er nickte ganz leicht. Janka und Esma hockten sich neben mich, die Zigeunerjungen standen um uns herum, und so warteten wir.
    »Einfach abgerutscht ist er, mittendrin«, erzählte eine Frau derweil aufgeregt den versammelten Zuschauern. »Und dann ist er

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