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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Gemeinde. ›Rabbi‹ bedeutet einfach nur so viel wie ›Lehrer‹. Ein Rabbi ist durch seine Gelehrsamkeit dazu bestimmt, den Glauben zu weisen und ähnlich wie ein Richter Entscheidungen in Religionssachen und Rechtsfragen zu fällen, auch in Dingen des täglichen Lebens. Er befindet beispielsweise darüber, ob eine Sache oder ein Tier koscher ist. Deshalb besehe ich jeden Morgen die geschächteten Tiere, damit keines unrein verspeist wird – hat eine Gans zum Beispiel einen Nagel gefressen, dürfen wir sie nicht essen.« Er zwinkerte. »Dann verkaufen wir sie billig an die Christen.«
    Ezzo schüttelte schmunzelnd den Kopf und ließ sich von Levi Colner Wein nachschenken. Sara konnte sich nicht sattsehen an seinem Anblick. Er war zurückgekommen, zu ihr. Schnell ordnete sie ihr Haar, zupfte den Ausschnitt ihres Kleids zurecht – warum hatte sie ausgerechnet heute bloß diesen unscheinbaren grauwollenen Fetzen angezogen? – und dann trat sie in die Hütte.
    Ezzos Augen versenkten sich in ihre, als er aufsah. Sie brauchten keine Worte, nur diesen Blick, das Lächeln, das sie beide auf den Lippen trugen.
    »Sara, wir haben deinem Gast ein wenig die Zeit verkürzt«, sagte Levi Colner gut gelaunt. »Komm, setz dich, Jakit bringt gleich das Mittagsmahl.«
    Sie konnte kaum ablehnen, und so aßen sie gemeinsam. Sie saß Ezzo gegenüber, plauderte und lachte, während Ezzo sie mit Blicken verschlang. Verstohlen schob er seine Fußspitze unter dem Tisch zu ihr hinüber, berührte ihren nackten Knöchel, und allein diese Berührung ließ sie erschauern. Dabei wusste sie ganz genau, dass der Rabbi sie beobachtete. Er hatte eins und eins zusammenzählen können – natürlich war Ezzo derjenige, von dem sie ihm erzählt hatte, der Christ, den sie liebte. Das war auch der Grund gewesen, warum er, der bei Ezzos Ankunft zufällig vorbeigekommen war, den Besucher angesprochen und ins Haus des Barnoss gelotst hatte. Man musste diesen Menschen schließlich in Augenschein nehmen.
    »Ihr habt erzählt, dass Ihr und unsere Sara lange zusammen herumgereist seid?«, erkundigte er sich schließlich, während er ein Entenbein abnagte. »Und wollt Ihr denn nun zu Würzburg bleiben?«
    Ezzo hob mit einer hilflosen Geste die Hände. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es noch nicht. Ich habe in den letzten Wochen versucht, mein Erbe einzufordern, ein kleines Rittergut, nicht weit von hier. Es war ein Fehlschlag.« Er sah Sara an. »Jetzt muss ich mir erst einmal klar darüber werden, wovon ich in Zukunft leben will und wie es weitergehen soll.«
    »Riedern ist also für dich verloren?«, fragte Sara zurück.
    »Mein Onkel hat es abgelehnt, sich mit mir zu einigen«, sagte Ezzo. »Ja, Sara, ich bin auch in Zukunft nicht mehr als ein armer fahrender Ritter, so wie du mich kennengelernt hast.«
    Sie sah ihn mit ernstem Blick an. »Das hat mir damals schon genügt, Ezzo.«
    Der Rabbi rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. Das ging nun aber schon ein bisschen zu weit zwischen den beiden. Der junge Bursche war ja nicht verkehrt, abgesehen davon, dass er ein Christ war, aber man musste sich ja nicht gleich am Esstisch vor allen Leuten eine verkappte Liebeserklärung machen. »Also«, meinte Rabbi Süßlein und rieb sich die Hände. »Lasst uns das Mahl beenden, der Tag hat noch Arbeit für uns.«
    Er sprach ein kleines Gebet, und dann standen alle auf, um sich zu verabschieden. Levi Colner begleitete seine Gäste aus dem Haus. »Jischar koach – möge deine Kraft wachsen«, sagte er zum Rabbi, der sich mit einem »Baruch tijeh – sei gesegnet« bedankte. Dann küsste er Sara auf beide Wangen und reichte Ezzo die Hand. »Was ich noch fragen wollte«, sagte er, »Euer Onkel, ist das wohl der Friedrich von Riedern, der zu Lauda im Taubertal sitzt?«
    Ezzo wunderte sich. »Ja. Warum wollt Ihr das wissen?«
    »Ach, kein besonderer Grund. Mir war nur, als hätte ich vielleicht schon einmal Geschäfte mit ihm gemacht … Nun also, schalom.«
    »Auf Wiedersehen und danke für die Gastfreundschaft.« Ezzo ging zusammen mit Sara zum Doktorhaus hinüber, wo der Schimmel inzwischen mit hängenden Ohren döste. Unter den gestrengen Blicken des Rabbi, der noch dabeistand und wartete, reichten sie sich die Hand. »Besuch mich wieder«, sagte sie befangen.
    »Wenn ich darf … « Er stieg auf, grüßte noch einmal und ritt langsam davon.
    Rabbi Süßkind nickte beifällig. Man musste den Anstand wahren, das war ja wohl in allen Religionen so. Dann ging er

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