Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
fest wie ein Murmeltier und brauchte auch am Morgen lang, bis sie richtig wach und vor allem gut gelaunt war. Sara war es recht, denn die Abende und Nächte gehörten seit einigen glücklichen Wochen ihrer Liebe.
Noch bevor Ezzo sich vom »Ochsen« aus, wo er immer noch wohnte, auf den Weg machte, liefen im Licht der Feuerpfannen drei Männer durch die Judengasse aufs Doktorhaus zu. Die flackernde Flamme eines mitgeführten Kienspans ließ ihre gelben Judenhüte aufleuchten, und ihre langen Mäntel bauschten sich im Nachtwind. Einer der Männer, es war der Rabbi, klopfte leise gegen Saras Tür.
»Wir müssen mit dir reden«, sagte er.
Überrascht bat Sara die drei Besucher in die Stube. Außer dem Rabbi waren noch Levi Colner dabei und ein älterer, graubärtiger Mann, der sich als Elkan Liebmann aus Miltenberg vorstellte. Jetzt verbieten sie mir den Umgang mit Ezzo, war alles, was Sara denken konnte. Natürlich war es den anderen nicht verborgen geblieben, dass ihr christlicher Liebhaber jeden Abend vorbeikam und meist bis zum Morgen blieb. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man ihr sagen würde, dass die jüdische Gemeinde solch Verhalten nicht duldete.
Aber es kam ganz anders.
»Wir haben Erkundigungen eingezogen«, begann Levi Colner. »Über Ezzo von Riedern und über seinen Onkel, den er erwähnt hat. Der ihn nicht erben lässt … «
Sara nickte bedrückt, und er fuhr fort. »Ich glaube, wir können deinem Freund helfen, Sara. Wenn auch er uns hilft. Mein Schwager Elkan wird es dir erklären.«
Der Genannte setzte umständlich den Judenhut ab, kratzte sich am spärlich behaarten Hinterkopf und fing an, zu erzählen. »Ich verleihe nun schon seit bald dreißig Jahren Geld an Kirche und Adel im Umkreis meiner kleinen Stadt«, nuschelte er. Sara bemerkte, dass ihm die beiden oberen Schneidezähne fehlten. »Friedrich von Riedern und vorher sein Bruder haben schon immer zu meinen Schuldnern gezählt. Letzterer hat nie viel geliehen und immer pünktlich zurückgezahlt, aber Friedrich war schon von Beginn seiner Herrschaft an in Geldschwierigkeiten. Im Lauf der Jahre hat er immer häufiger etwas gebraucht, und immer größere Summen. Nun hab ich vor vier Jahren schon nichts mehr geben wollen, es war mir zu unsicher. Ich wusste, dass er auf den Bankrott zutrieb. Aber er hat mich angefleht, ihm noch einmal mit zweitausend Gulden unter die Arme zu greifen, gleich zu welchen Bedingungen. Es ging um eine dringende, kurzfristige Anleihe zu hohen Zinsen, über ein Jahr. Ich hab mich erweichen lassen, aber mir war klar, dass er vermutlich nicht würde zurückzahlen können. Also musste ich zu meiner Absicherung ein Pfand verlangen. Ein umfangreiches, großes Pfand.« Er machte eine Pause. »Riedern.«
Sara schluckte. »Sprecht weiter«, bat sie.
»Ei nun«, der alte Geldverleiher hüstelte. »Es kam so, wie ich es vorausgesehen hatte. Herr Friedrich konnte nicht zahlen. Er ist mit seiner gesamten Schuldenlast seit drei Jahren überfällig. Bisher habe ich ihm immer wieder alles gestundet und darauf verzichtet, mein Recht beim Landrichter einzufordern. Jetzt allerdings … « Er sah Levi Colner an, der nun weitersprach.
»Sara«, sagte er bedächtig, »deinem Ezzo, selbst wenn er nun der rechtmäßige Erbe von Riedern sein sollte, gehört nach Recht und Gesetz gar nichts mehr außer einem Haufen Schulden. Das ist die schlechte Nachricht.«
Sara senkte den Kopf. Ezzo tat ihr leid. »Und gibt es auch eine gute?«, fragte sie schließlich.
»Die gibt es«, antwortete der Rabbi. »Und sie sieht so aus: Nehmen wir einmal an, unser Bruder Liebmann lässt über den Landrichter die Rückzahlung aller Gelder durch Friedrich von Riedern einfordern. Der kann nicht zahlen, er pfeift ja seit Jahren auf dem letzten Loch. Also bleibt ihm nur, das verpfändete Riedern entweder zähneknirschend an Liebmann zu übergeben oder aber das Rittergut zu verkaufen und mit dem Geld seine Schulden zu begleichen. Und jetzt kommt dein Freund ins Spiel. Und die Würzburger Gemeinde.«
Sara horchte auf.
Levi Colner erklärte den Plan: »Du weißt, unsere Gemeinde ist wie so viele andere schon seit langer Zeit auf der Suche nach einem festen Platz als Zuflucht in der Not. Seit dem Zweiten Kreuzzug, um genau zu sein. Riedern könnte dieser Platz sein. Wir wären bereit – auch wenn es nicht einfach sein wird, so viel aufzutreiben –, Gelder zur Verfügung zu stellen, damit dein Freund seinem Onkel das Rittergut abkaufen kann.
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