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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Malachi Süßlein, Ende August 1417
Gnade und Geleit des Ewigen Euch, hochgelehrter Rabbi, möge Euere Zeit gesegnet sein. Ich wende mich im Namen der Cölner Gemeinde an Euch, die der Verlust des Chajim ben Hirsch schwer getroffen hat. Der edle Dahingegangene besaß keine Familie mehr, die um ihn hätte trauern können; er hatte nur noch zwei Schwestern, die beide schon vor ihm durch den Ratschluss des Herrn im Kindbett abberufen wurden. Uns ist nun bekannt, dass Chajim ben Hirsch einst ein junges Weib hatte, das ihn vormals verließ. Dieweil aber niemals eine Scheidung ausgesprochen wurde, ist dieses Weib Sara bat Levi die einzige Erbin des nachgelassenen Vermögens, das beträchtlich ist. Ich bitte Euch nun, jener Sara dies Schreiben zukommen zu lassen, auf dass sie entweder hier zu Cöln ihr rechtmäßiges Erbe antreten möge oder der Gemeinde mitteile, wie weiters damit verfahren werden soll.
Friede sei mit Euch und den Euren,
Jona ben Joel, Barnoss zu Cöln, den 23. Tamus des Jahres 5178.

Burg Lauda, Ende August 1417
    Friedrich von Riedern stand im Erker der Hofstube, stützte sich schwer auf seine Krücken und blickte gelangweilt aus dem offenen Fenster. Unter ihm drehte sich behäbig das Mühlrad der Burgmühle; er konnte nicht ausmachen, ob das laute Plätschern vom Mühlbach kam oder von dem Gewitterregen, der vor einer Stunde eingesetzt hatte. Kein Wetter, um auf die Jagd zu gehen, dachte der von Riedern mürrisch und wischte sich den Spritzer eines Regentropfens von der Nase. Dann hörte er, wie die Tür zum Saal geöffnet wurde. Mühevoll drehte er sich um.
    »Herr, vergebt die Störung«, meldete der halbwüchsige Türsteher, »aber da wären zwei … «
    Noch bevor er zu Ende sprechen konnte, wurde der Knabe zur Seite geschoben, und ein vornehm gekleideter junger Herr trat mit energischen Schritten ein, gefolgt von einem alten Männlein in dunkler Kutte. Eine Unverfrorenheit, wie Friedrich von Riedern sie selten erlebt hatte! Und jetzt zog der Jüngere auch noch seine Handschuhe aus und warf sie auf den Tisch, als ob ihm hier alles persönlich gehöre. Friedrich war so überrascht, dass er gar nicht daran dachte, die Wache zu rufen. Und dann sagte der unverschämte Besucher etwas, das ihm endgültig die Fassung raubte, nämlich: »Gott zum Gruß, Onkel.«
    Dem von Riedern fiel es wie Schuppen von den Augen. Teufel auch, ja, jetzt erkannte er ihn, den vermaledeiten Bastard seines Bruders! Und auch den Pfaffen, der hinter ihm stand, den alten Meingolf. Was bezweckten die beiden mit diesem unvermuteten Besuch? Friedrich war sofort auf der Hut. »Meiner Treu«, sagte er und presste sich ein Lächeln ab. »Ezzo, bist du es wirklich? Welch eine gelungene Überraschung! Wie viele Jahre sind es her, zehn, elf?«
    »Bald dreizehn«, antwortete Ezzo ohne das Lächeln zu erwidern. »Eine lange Zeit, nicht wahr, Onkel? Dreizehn Jahre, in denen Ihr nutzen und nießen konntet, was Euch nicht gehörte.«
    Friedrichs Lächeln gefror. Daher wehte also der Wind! »Hüte deine Zunge, Bastard, sonst lass ich sie dir abschneiden!«
    Ezzos Lippen wurden schmal. »Ich bin gekommen, um mit Euch zu reden, Onkel, nicht um mich beleidigen zu lassen.«
    »Ich wüsste nicht, was wir beide zu besprechen hätten.« Friedrich von Riedern zuckte die Schultern. Er stakte mit seinen Krücken auf einen breiten Sessel zu und ließ sich hineinfallen. »Aber wo du schon mal da bist, sag, was du zu sagen hast … «
    Ezzo zügelte die Wut, die in ihm aufgestiegen war. Ruhig trat er vor und sah auf seinen Onkel hinunter. »Mein Vater hat im Herbst des Jahres 1395 ein Testament verfasst, das mich zum Erben bestimmt. Dieses Testament, das übrigens Pater Meingolf hier selber geschrieben hat, liegt im fürstbischöflichen Archiv zu Mainz, beurkundet von namhaften Zeugen. Ich habe die Zustimmung des Fürstbischofs zur Übernahme von Riedern.«
    Friedrich wurde leichenblass unter seinem dunklen Bart. Das konnte doch nicht sein! Er hatte das Testament mit den anhangenden Siegeln doch eigenhändig verbrannt! Existierte eine Abschrift? Ja, so musste es sein, es war nur eine Kopie. Und eine Kopie konnte man anfechten. Er richtete sich auf, so weit er konnte. »Eine Fälschung«, sagte er. »Es gab nie ein Testament.«
    »Die Zeugen lassen sich beibringen«, erwiderte Ezzo ungerührt. »Ihr wisst das so gut wie ich. Hört, Onkel, mir liegt nichts daran, mich für alte Zeiten zu rächen. Ich will nur Riedern. Das Amt Lauda, Eure Stadthäuser, Euren

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