Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
persönlichen Besitz, das alles mögt Ihr behalten. Lasst uns zu einer Einigung kommen ohne böses Blut.«
»Niemals!«, zischte Friedrich von Riedern. »Ich werde niemals aufgeben, was mir gehört. Du hast kein Recht, irgendetwas zu verlangen. Wo kämen wir hin, wenn heutzutage jeder dahergelaufene Sohn einer billigen Küchenmagd Anspruch auf ritterliches Erbe erheben könnte? Wenn es sein muss, geh ich bis zum Kaiser … «
Genau das musste Ezzo um jeden Preis vermeiden. Sigismund würde einen Teufel tun, den ehemaligen Liebhaber seiner Frau zu unterstützen. Ezzo blieb nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen. »Der Fürstbischof, Euer Lehnsherr, hat bereits zu Konstanz mit seiner Majestät gesprochen«, sagte er. »Wenn Ihr Euch weigert, habe ich die Erlaubnis, mir mein Recht mit Waffengewalt zu holen.«
Friedrich von Riedern sah seinen Neffen ungläubig an. Dann brüllte er einen Fluch, den man durch die geöffneten Fenster bis weit ins Taubertal hinein hören konnte. »Dann komm, du missgeborener Lumpensack! Versuch dein Glück! Aber eins sag ich dir: Mich vertreibt keiner aus Riedern, kein Kaiser und kein Fürstbischof, und du schon gar nicht. Meine Männer sind gut gerüstet, die warten schon lang auf eine Gelegenheit, sich im Kampf zu beweisen.«
Jetzt trat Pater Meingolf vor. »Herr Friedrich, beruhigt Euch, um Gottes willen. Das Land verträgt keinen Krieg, er wäre das Letzte, was wir anstreben sollten. Friede vermehret, Unfriede zehret, den Spruch hat Euer Bruder stets beherzigt, zum Wohle von Riedern. Ihr seid ein vernünftiger Mann, genauso wie Euer Neffe Ezzo hier. Wollt Ihr Euch nicht miteinander einigen? Vielleicht wäre eine Landesteilung … «
Friedrich von Riedern fuhr aus seinem Sessel hoch und stand schwankend auf seinen verkrüppelten Beinen, das Gesicht zur Fratze verzerrt. »Hinaus, Satanspfaff, unverschämter! Verschwindet! Betrüger, Bankerten und Hurenkerle! Macht euch davon! Mich und das Meine bekommt ihr nicht, es sei denn, ihr holt es euch! He, Wachen!«
Zwei mit Spießen bewaffnete Knechte traten durch die Tür.
»Meine Gäste haben den Wunsch, zu gehen«, sagte Friedrich, »und zwar schnell.«
Auf dem ganzen Weg durchs Taubertal sprach Ezzo kein Wort. Das von vornherein zweifelhafte Unterfangen, Friedrich von Riedern zu einer schriftlichen Vereinbarung zu bringen, war auf ganzer Linie gescheitert. Nun, es war den Versuch wert gewesen, mehr auch nicht. Ezzo hatte nichts in der Hand. Sein Erbe war verloren. Jetzt stand er da wie vor Jahren: mittellos. Der Friedelsohn eines edelfreien Ritters, zwar inzwischen selber Ritter, aber ohne Land und Besitz. Wie sollte es weitergehen? Er wusste es nicht.
Er blieb noch zwei Tage im Pfarrhaus bei Pater Meingolf, um sich zu fassen und um das Grab seiner Mutter zu besuchen. Dann verabschiedete er sich von seinem alten Lehrer. Es zog ihn nach Würzburg. Er wollte nach Riedern nicht auch noch Sara verlieren.
Gedicht des einzigen bekannten jüdischen
Minnesängers Süßkind von Trimberg,
erste Hälfte des 13. Jahrhunderts
Wer adlig sich beträgt, den will ich edel nennen,
bloß an der Urkund lässt sich Adel nicht erkennen,
so wenig wie die Rose an dem Dorn.
Und wo die Herrn der Tugend Pflicht verletzen,
da wird ihr Adelskleid zum bloßen Fetzen.
Nichts taugt das Mehl,
mischt sich zu viel der Spreu ins Korn …
Würzburg, Anfang September 1417
Das jüdische Jahr ging seinem Ende zu. Bald, mit Rosch HaSchana, begann die zehntägige Buße, die bis Jom Kippur dauerte. Es war die Zeit, zu der man sich besann auf das, was wirklich wichtig war. In der man nachdachte über alles, was die letzten zwölf Monate an Gutem und Schlechtem gebracht hatten. Zeit auch, das abzuschließen, was man sich vorgenommen hatte, sich frei zu machen von alten Aufgaben, Wünschen und Hoffnungen, damit das nächste Jahr ein guter Anfang für Neues werden konnte.
Für Sara gab es in diesen letzten Wochen des Jahres 5178 so vieles, was sie beschäftigte. Die vergangenen Monate hatten ihr Leben so grundlegend verändert, dass sie sich manchmal vorkam wie in einem Traum. Das Wiedersehen mit Jochi, der Beginn eines neuen, alten Lebens als Jüdin. Dann das plötzliche Auftauchen Chajims und sein schrecklicher Tod, an dem sie sich schuldig fühlte. Und schließlich etwas, womit sie niemals gerechnet hatte: das riesige Vermögen, das ihr als Witwe zugefallen war. Als Rabbi Süßlein ihr davon erzählt hatte, war ihr erster Gedanke gewesen, das
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