Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
früh aus nach Wladiwostok … «
Ein dumpfer Schlag unterbrach den Redefluss des Alten.
»Schafft ihn weg!«, blaffte dieselbe Stimme. »Unter der Folter wird er schon reden! Und dann durchsucht das Haus!«
Ciaran und die anderen saßen hilflos in ihrer finsteren Kammer, während die Häscher des Erzbischofs Thomas Whistle nach draußen schleiften.
Erst in der Nacht, als längst alles ruhig war, wagten sich die vier Männer aus ihrem Versteck. Whistle und die anderen Hausbewohner waren verhaftet, bis auf einen, dessen Leiche im Garten beim Tor lag. Das Gebäude war vom Keller bis zum Dach durchwühlt worden, man hatte alles auf den Kopf gestellt, jede Truhe geöffnet, alle Betten aufgeschlitzt.
Nachdem sie sich umgesehen hatten, standen Ciaran und seine Freunde mutlos in der Eingangshalle, unschlüssig, was sie tun sollten. Schließlich traf Oldcastle eine schwere Entscheidung. »Hört zu«, sagte er. »Niemand ist hier mehr sicher. Das Vermächtnis muss jetzt sofort aus dem Land.«
»Wenn sie es nicht schon gefunden haben … «, warf Connla ein.
Sir John lächelte grimmig. »Das konnten sie gar nicht.« Er langte in die Innenseite seines Wamses und zog eine dicke Ledertasche hervor. »Es lag auf Whistles Schreibtisch. Ich hab’s eingesteckt, gleich zu Anfang, als die Bewaffneten das Tor gestürmt haben.«
Will legte ehrfürchtig die Hand auf das Manuskript. »Wir müssen es gleich kopieren lassen.«
»Keine Zeit.« Oldcastle schüttelte den Kopf. »Wenn Whistle unter der Tortur redet, erwischen sie uns womöglich in den nächsten Stunden. Es steht jetzt alles auf dem Spiel, Freunde. Sie werden auch uns foltern, wenn sie uns ergreifen – und wer kann schon sicher sein, bei der peinlichen Befragung stark zu bleiben? Deshalb muss die Schrift sofort nach Böhmen.«
Connla nickte. »Wer geht?«
»Du und Will. Jetzt gleich.«
»Und ich?«, fragte Ciaran.
Oldcastle hob die Brauen. »Komm mit mir nach Cobham Castle, Junge. Ich kann für dein Leben nicht garantieren, aber dort sind wir noch am sichersten.«
Ciaran war anderer Meinung. »Sie werden auch dort nach der Schrift suchen.«
»Er hat recht«, sagte Will.
Ciaran sah die anderen der Reihe nach an. »Lasst mich mit aufs Festland gehen«, bat er. »Meine Eltern sind gestorben, um Wyclifs Vermächtnis zu schützen. Ihr Tod soll nicht umsonst gewesen sein. Außerdem habe ich im Kloster Sprachen gelernt. Ich kann ein bisschen Deutsch, das wird uns helfen.«
Oldcastle sah ihn eine Weile forschend an, dann drückte er ihm das Manuskript in die Hand. »Geh mit Gott, mein Junge. Du bist der rechte Bote. Und ihr beiden, beschützt ihn gut. Reist zusammen nach Prag. Jan Hus wird nicht dort sein – die letzten Nachrichten aus Böhmen besagen, dass er sich derzeit an einem geheimen Ort aufhält, um die Bibel in die Volkssprache zu übersetzen. Wo genau, das müsst ihr dann selber in Erfahrung bringen.«
Die drei jungen Männer umarmten Sir John zum Abschied, dann stahlen sie sich im Schutz der Nacht aus Thomas Whistles Haus.
Draußen blieb Ciaran plötzlich stehen. »Ich bin gleich wieder da«, flüsterte er und rannte zurück. Kurz darauf tauchte er wieder auf, das Lederfutteral mit seiner irischen Harfe unter dem Arm. »Ohne sie gehe ich nirgendwohin«, grinste er schief. Dann verschluckte die Nacht die drei Gestalten. John Oldcastle verließ das Haus kurz nach ihnen, um auf seine Ländereien in Kent zurückzukehren.
Zwei Tage später gingen drei junge Benediktinermönche an Bord des holländischen Schiffes »Geertje«, das mit Rohwolle beladen nach Brügge fuhr. Sie hatten frisch rasierte Tonsuren und trugen das dunkle Habit ihres Ordens unter ihren festen Reisemänteln. Zwei der Mönche hatten das übliche Gepäck der Reisenden bei sich, rucksackähnliche Leinentaschen, die mit Proviant und allerlei Nützlichem gefüllt waren. Der Dritte trug ein unförmiges Lederding über der Schulter. Fragte ihn jemand nach dem Inhalt, so sagte er jedes Mal mit ehrfürchtiger Miene: »Es sind wundertätige Reliquien, die wir im Auftrag unseres Ordens zum Heiligen Vater nach Rom bringen.« Niemand ahnte, dass sich in Wirklichkeit etwas ganz anderes in dem seltsamen Behälter verbarg – so wenig wie die drei Flüchtlinge ahnten, dass John Oldcastle bereits verhaftet und der Ketzerei angeklagt im Kerker lag, noch bevor ihr Schiff das offene Meer erreicht hatte. Sein Tod war nur noch eine Frage der Zeit.
Empfehlung eines christlichen Patienten, 15. Jhd.
»Man mög
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