Die Silberne Festung
bereits drei Kondore, die allein fünfzehnhundert Mann transportiert haben dürften. Und die Iraker haben Abadan inzwischen fast erreicht.«
Saint-Michael versuchte, sich Klarheit über die möglichen Konsequenzen dieser Entwicklung zu verschaffen. Er hatte eben Bayles und Moyer ins Kommandomodul beordert, damit sie bei der Datenübermittlung halfen, als die Nimitz sich erneut meldete.
»Jetzt sitzen wir wirklich in der Scheiße, Jason«, sagte Admiral Clancy.
»Die Russen haben ihre Angriffe koordiniert. Jäger der Breschnew haben unsere Hawkeye-Aufklärer abgedrängt, die den Golf überwachen sollten.
In Teheran läuft ein Luftlandeunternehmen, und irakische Verbände stoßen über die Grenze nach Abadan vor. Im Norden haben die Sowjets den ganzen Golf dichtgemacht.«
Das sind allerdings schlechte Nachrichten, dachte Saint-Michael. Teheran war natürlich sehr wichtig, aber es gab einen Ort, der im Augenblick noch wichtiger war. Er drückte seine Sprechtaste. »Über Teheran und Abadan sieht’s schlecht aus, Admiral. Aber der Luftschirm über Bandar-Abbas ist dafür um so dünner, nicht wahr?«
»Ganz meine Meinung, Jason. Dort wollen wir ansetzen. Und dazu brauche ich Ihre Hilfe. Vielleicht sogar mit der Trumpfkarte, von der wir gesprochen haben. Wie lange dauert diese Überwachungsperiode noch?«
»Knapp eine Stunde.«
»Das müßte reichen. Hoffentlich bleibt Ihnen ein weiterer Angriff erspart.«
»Verstanden, Admiral. Ende.« Saint-Michael drehte seinen Sitz etwas zur Seite und starrte wortlos den SBR-Hauptschirm an.
Walker konnte das Schweigen nicht länger ertragen. »Skipper, was gibt’s?«
»Clancy will eine Offensive starten…«
»Eine Offensive? Aber womit denn? Die Russen überrennen den Iran doch von allen Seiten!«
Saint-Michael nickte Walker zu. »Wir spielen jetzt etwas Himmelspoker«, sagte er. »Hoffentlich klappt unser Bluff.«
***
Als Jason Saint-Michael an der Einstiegsluke des zigarrenförmigen Rettungsboots für die Stationsbesatzung erschien, wußte Ann, welche Hiobsbotschaft er ihr überbringen würde. Sie las sie ihm von der Stirn ab. Sie hatte sie erwartet.
»Ann, ich… tut mir leid, aber…«
Sie lehnte sich ans Querschott hinter ihr. »Er ist tot?« Sie wußte, daß er nicht mehr lebte, aber es mußte ausgesprochen werden, damit sie beginnen konnte, es zu fühlen, damit es ihr wirklich bewußt wurde…
Saint-Michael trat auf Ann zu und griff nach ihrer Hand. »Admiral Clancy hat mich vor ein paar Minuten benachrichtigt. Er hat mich gebeten, dir zu sagen, daß dein Vater ein hervorragender Offizier gewesen ist, den seine Männer…«
Sie nickte stumm, während ihr Tränen über das Gesicht liefen, schob ihn von sich fort und klammerte sich gleichzeitig wieder an ihn. Er schloß sie in die Arme und hielt sie an sich gedrückt, während sie ihren Tränen freien Lauf ließ. So standen sie unbestimmbar lange und suchten und spendeten Trost in körperlicher Nähe, die ihnen noch vor wenigen Minuten unerreichbar erschienen wäre.
Schließlich löste Saint-Michael sich sanft von ihr und bewegte sich auf die Luke zu. Dann machte er noch einmal halt, drehte sich um und nickte Ann aufmunternd zu. »Er hat Großartiges geleistet, Ann… Er hat die Nimitz mit der California vor den Lenkwaffen abgeschirmt. Wäre ihm das nicht gelungen, hätte es auf dem Träger weitaus höhere Verluste gegeben.
Dann hätte die ganze Kampfgruppe abgezogen werden müssen… Ich weiß, daß das jetzt nur ein schwacher Trost ist, aber du solltest es trotzdem wissen.«
Ann Page nickte. »Danke, ich weiß. Er hat manchmal gesagt, am liebsten wolle er so sterben. Aber das macht nichts leichter…«
7
JULI 1992
Über dem Persischen Golf,
130 km südlich der Breschnew
Es erschien ganz einfach. Lächerlich einfach.
Der Führer der aus zehn Su-27 Flanker bestehenden Alarmstaffel der Breschnew mußte unwillkürlich grinsen. Nach all dem Gerede darüber, wie selbständig amerikanische Jagdflieger waren, wie innovativ, wie kreativ und unberechenbar sie angeblich sein sollten, hatte er jetzt zehn amerikanische Jäger F-15 Eagle vor sich, die geradenwegs ins Verderben flogen.
Der sowjetische Flugzeugträger Breschnew hatte die anfliegenden Maschinen in 300 Kilometer Entfernung geortet und sofort zehn Su-27 gestartet, denen zehn weitere mit Jagdraketen bewaffnete Abfangjäger folgen würden. Für einen amerikanischen Angriff auf die Breschnew gab es nur drei Ausgangspunkte: Kigzi Airbase in der Türkei,
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