Die Silberne Festung
erobert oder ausgeschaltet werden. Aber statt dessen befinden wir uns auf schwankendem, kaum zu verteidigenden Boden. Der mir versprochene, rasche Sieg hat sich in ein gottverdammtes Patt verwandelt! Und was noch schlimmer ist: Unsere unbeholfenen Lügen sind vor den Augen der Weltöffentlichkeit entlarvt worden. Der große russische Bär ist mit der Nase in eine Mausefalle geraten… Helden der Sowjetunion!« Der Tonfall des Generalsekretärs klang beißend ironisch. »In acht Stunden muß ich vors Politbüro treten und meine weiteren Absichten erläutern. Wie ich die Lage beurteile, bleiben uns drei Möglichkeiten: schmachvoller Rückzug, Verteidigung aus wenig günstigen Stellungen heraus oder Angriff.« Er wandte sich erneut an Verteidigungsminister Csilikow. »Wissen Sie eine Lösung?
Ist das Unternehmen Feder gescheitert? Blasen wir zum Rückzug? Soll ich als erster sowjetischer Führer den Rückzug vor einem zahlenmäßig weit unterlegenen Gegner befehlen?«
»Was Sie wollen, kann ich Ihnen nicht geben…«
»Wie bitte? Was haben Sie gesagt?«
»Sie wollen keine Empfehlungen. Sie wollen diktieren. Ich lasse mir nichts diktieren – und ich lasse mich nicht beleidigen!«
Der Generalsekretär beugte sich zu Csilikow hinüber. »Hüten Sie Ihre Zunge«, forderte er ihn halblaut drohend auf.
»Genosse Generalsekretär, Sie können den Ehrentitel ›Held der Sowjetunion‹ beleidigen, wenn Sie wollen, aber Sie dürfen seine Bedeutung nicht ignorieren. Und Sie müssen überlegen, was es bedeuten würde, wenn Ihr gesamter militärischer Führungsstab zurückträte, solange das Unternehmen Feder noch läuft…« Csilikows Gesicht war während dieser Worte hochrot geworden.
Der Generalsekretär sah sich am Konferenztisch um. Alle Gesichter waren ihm zugewandt.
»Was sehen Sie, Genosse Generalsekretär?« fuhr Csilikow, durch das Schweigen der anderen ermutigt, fort. »Versuchen Sie vielleicht auszurechnen, wie viele Ihnen folgen würden, falls ich zurückträte oder… ausgeschaltet würde?«
»Damit rechne ich immer, Marschall Csilikow.« Die Antwort des Generalsekretärs klang unsicher.
»Genosse Generalsekretär, ich stehe auf Ihrer Seite«, sagte Csilikow, dessen Stimme jetzt konzilianter klang. »Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß das Unternehmen Feder zum Erfolg geführt werden kann. Aber es ist ein militärisches, kein politisches Unternehmen. Besetzung und Beherrschung des iranischen Staatsgebiets können nur militärisch erfolgen –und keineswegs augenblicklich. Unsere in den letzten vierundzwanzig Stunden erzielten Geländegewinne grenzen meiner Ansicht nach bereits ans Wunderbare. Binnen weniger Stunden haben unsere Truppen über eine Million Quadratkilometer besetzt und die Operationsziele damit fast erreicht. Aber wir dürfen nichts überstürzen, sonst sind all unsere Anstrengungen vergebens.«
Der Generalsekretär zögerte, weil er spürte, daß er im Augenblick ausmanövriert war, ohne sogleich ein Mittel dagegen in der Hand zu haben.
»Gut, Csilikow, machen Sie mir einen Vorschlag. In acht Stunden tritt das Politbüro zusammen. Wie sieht der neue militärische Plan aus?«
In dem Bewußtsein, den Generalsekretär zum Einlenken veranlaßt zu haben, hätte Csilikow beinahe ein Rad geschlagen. »Unsere Kräfte im Irak, im Iran und am Persischen Golf müssen ihre Stellungen halten. Das ist unbedingt erforderlich. Sie müssen imstande sein, sich ohne Verstärkungen gegen Angriffe und Offensiven zu verteidigen.«
»Ohne Verstärkungen?« fragte der Generalsekretär erstaunt. »Müssen wir unsere Truppen denn nicht verstärken, sobald eine Kampfpause eintritt?«
»Nicht sofort, Genosse Generalsekretär. Wir müssen so tun, als wollten wir die besetzten Gebiete räumen. Aber in Wirklichkeit denken wir natürlich nicht daran, uns zurückzuziehen oder auch nur einen Quadratmeter der eroberten Gebiete zu räumen.«
»Wir gehen also zu einem Verteidigungskrieg über? Das verstehe ich nicht, Csilikow! Sobald wir stillstehen, werden wir letztlich zurückgedrängt – wenn nicht von den Amerikanern, dann von der Weltöffentlichkeit, die lautstark unseren Rückzug fordern wird. Oder von beiden.«
»Diesen Verteidigungskrieg führen wir nur an einer Front«, stellte Csilikow fest. Dabei sah er zu Marschall Rhomerdunow, dem Oberbefehlshaber der Luft- und Raumstreitkräfte hinüber, der ihm aufmunternd zulächelte. »Aber an einer anderen ergreifen wir die Initiative«, fuhr der
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