Die silberne Göttin
der wunderschönen Ornamente, bis sie vor einen silbernen Paravent stand. Dahinter entdeckte sie die Tür zu Vijayas Schlafzimmer. Ein Blick in den Raum, und ihr Entschluss stand fest.
Sie trat durch die Tür.
Das Bett entsprach, nein es übertraf Robs Beschreibung. Groß und breit strotzte es vor Silber und Schnitzereien. Kostbare Vorhänge in dunklen Farben hingen vom Betthimmel. Iantha trat näher und strich mit der Hand über die seidenen Decke. Wie weich und glatt sie war! Sie pfiff auf alle Anstandsregeln, kletterte aufs Bett und setzte sich mit gekreuzten Beinen und Armen mitten in diese Pracht. Stolz reckte sie das Kinn empor. Würdevoll. Wie eine indische Göttin.
Machtvoll.
Und sie wusste auch schon, was sie malen würde.
Einige Stunden später wurde sie von einem Klopfen an der Tür aufgeschreckt. Als sie von ihrer Arbeit aufblickte, sah sie Thursby vor sich, der ihr ein Blatt Papier entgegenhielt.
"Ich habe dies hier im Korridor, nahe Ihrer Schlafzimmertür, gefunden, Mylady. Ich dachte, dass Sie es vielleicht sofort sehen wollten."
"Oh, ich danke Ihnen, dass Sie nach mir gesucht haben, Thursby." Sie griff lächelnd nach dem Blatt."
"Ist doch selbstverständlich, Mylady." Der Diener verbeugte sich und ging.
Iantha lächelte wieder. In seiner Livree sah Thursby viel würdevoller aus als damals beim Schwerttanz. Eines Tages würde er ein guter Butler sein. Sie entfaltete den Zettel.
Meine liebe Frau!
Triff mich an der hinteren Tür des alten Schlosses. Es gibt dort etwas, das ich dir zeigen möchte.
Duncan.
Was Rob ihr wohl zeigen wollte? Ein Blick durchs Fenster zeigte, dass draußen heftiges Schneegestöber herrschte. Der Sturm musste etwas Interessantes oder Schönes zu Tage gebracht haben.
Sie packte ihre Farben ein. Das Bild war jedenfalls fertig, und sie war sehr zufrieden damit. Vorsichtig, damit sie die noch feuchten Farben nicht verschmierte, trug sie das Bild zusammen mit ihrem Malkasten in ihr Zimmer zurück. Camille war nirgends zu sehen. Iantha holte ihren Pelzmantel aus dem Schrank und machte sich, während sie noch in ihn hinein schlüpfte, schon wieder zurück auf den Weg, den sie gekommen war. Rob hatte ihr die Tür gezeigt, die in das alte Schloss führte, und so fand sie sie diesmal mühelos.
Als sie das alte Gebäude betrat, erschrak sie über die Kälte, die der Sturm mitgebracht hatte. Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Mantels und ging vorsichtig die ausgetretenen Stufen hinunter. Unten angekommen, wandte sie sich in Richtung der verlassenen Küche. Der Klang ihrer Schritte wurde von den dicken Steinen des Deckengewölbes zurückgeworfen. Sie ging um den alten Brunnen herum und fand neben einem riesigen offenen Kamin das roh zusammengezimmerte Holzportal, das sie gesucht hatte.
"Rob?" Ihre Stimme hallte durch den Raum, der nur von dem wenigen Licht erhellt wurde, das durch die engen Schießscharten fiel. Wo um alles in der Welt steckte er nur? Als sie entdeckte, dass der Riegel zurückgeschoben war, öffnete sie vorsichtig die Tür und streckte den Kopf hinaus. "Rob?"
Plötzlich ergriff ein Windstoß die Tür und zog Iantha mit sich hinaus in den Schnee. Oh, nein! Sie kämpfte mit der schweren Tür, bis der Sturm unvermittelt aus einer anderen Richtung blies, ihr die Tür aus der Hand riss und sie ins Schloss schmetterte.
"Rob? Bist du hier?" Das Heulen des Sturms war die einzige Antwort. Offensichtlich war er nicht da. Wahrscheinlich hatte er auf sie gewartet und war, als sie nicht kam, wieder in den neueren Teil des Schlosses zurückgegangen. Der Zettel konnte schließlich schon eine ganze Weile auf dem Fußboden des Flurs gelegen haben.
Sie rüttelte an der Tür.
Nichts geschah.
Ärgerlich verstärkte Iantha ihre Bemühungen. Es geschah immer noch nichts. Was war nur mit dieser Tür los? Sie musste sich verklemmt haben. Es schien ihr fast, als hätte jemand den Riegel wieder vorgeschoben.
Ein heftiger Windstoß warf sie fast um, und sie klammerte sich verzweifelt an die Klinke. Sie musste wieder hinein, bevor sie hier noch erfrieren würde. Bei dem Gedanken begann sie zu zittern und zog den Mantel enger um sich. Doch die Kälte drang mühelos durch den Pelz.
Nun denn, hier konnte sie nicht bleiben. Sie würde um das Schloss herum zur Vorderseite gehen müssen, wo ein Klopfer war. Sie zog sich die Kapuze fest über den Kopf, und so, sich so nahe wie möglich an der Mauer haltend, ging sie den schmalen Pfad entlang, der um das Schloss
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