Die silberne Maske

Stufen an der Wand. Wenn man der Richtung folgte, war klar, wohin er führte.
    Geradewegs in den Kratergrund.
    Zur düsteren Kartause der Priester.

18
    Der Sturm
    zieht auf
     
    M ilt und Finn stritten immer noch mit den Stellvertretern, als Veda zurückkehrte. Alle fragten sich, wo sie so lange gewesen war, doch sie gab keinen Kommentar ab. Nicht einmal die Späher hatten sie entdecken können; offenbar konnte der Pegasus sich jeglicher Sicht entziehen, wenn er es wünschte.
    Hingegen forderte die Amazone Aufklärung: »Was ist hier los?«
    Milt und Finn redeten gleichzeitig los, berichteten von Lauras Scheitern und Alberichs Flucht nach Unbekannt, vom Abflug der Cyria Rani und dass sie deshalb die Iolair um Unterstützung gebeten hatten, nach Laura zu suchen.
    Die Stellvertreter hatten sich aber geweigert und darauf verwiesen, dass nur Veda die Entscheidung treffen könne.
    »Das war völlig richtig«, sagte sie ruhig. Die Abreise von Arun und Nidi nahm sie, ohne mit der Wimper zu zucken, zur Kenntnis. »Denn ich kann nicht einen einzigen Mann entbehren.«
    »Das ... das ist nicht dein Ernst«, stotterte Finn. »Wenigstens einen Adler ... bitte! Wir vergehen hier vor Sorge um Laura!«
    Die Amazone schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Laura geht es gut.«
    »Woher willst du das wissen?«, rief Milt, und eine Ader schwoll zornig pochend an seiner Schläfe an.
    »Wir würden es erfahren, wenn sie nicht mehr am Leben wäre, entweder von Alberich oder dem Reich«, erwiderte sie. »Nach all dem, was sie bereits für das Reich getan hat, würde sie nicht sterben, ohne dass es Auswirkungen hat. Das ist anders als in der Menschenwelt. Abgesehen davon gehe ich davon aus, dass ihr es spüren würdet. Und ein wenig mehr Vertrauen hätte ich bei euch auch vorausgesetzt. Laura ist eine mächtige Kriegerin.«
    Finn hörte sich die Standpauke an, nickte und sagte: »Ein einziger Adler, Veda.«
    »Ihr braucht mehr, um sie und ihre Freunde transportieren zu können. Wir wissen nicht, wo sie sich befinden. Nein. Und dabei bleibt es.«
    »Ein Pferd? Ein schneller Laufvogel?«
    »Du strapazierst meine Geduld, Finn.«
    »Lass es sein, Kumpel«, knurrte Milt. »Sie wird uns nicht helfen. Es ist ihr egal, was aus uns oder den anderen wird.«
    »Ganz im Gegenteil«, erwiderte Veda in bewundernswerter Gelassenheit. »Ihr müsst hier im Schutz des Lagers bleiben, weil ein großer Sturm aufzieht.«
    Sie wandte sich an ihre Stellvertreter und verteilte die Aufgaben: Einer hatte für den Bau von mindestens zwei, besser drei Katapulten zu sorgen sowie die Geschosse dafür herzutransportieren; dem zweiten wurde das Flugkampftraining übertragen, der dritte sollte die Bodentruppen vorbereiten. Die Waffen mussten poliert und geschärft werden, die Bogen und Armbrüste hergerichtet, Pfeile und Speere und sonstige Wurfgeschosse bereitgelegt. Der Lagermeister sollte für die stärkere Absicherung und völlige Schließung der Palisaden sorgen und weitere Wachtürme aufstellen. Ohne Unterlass mussten in jedem Turm mindestens zwei schwer bewaffnete Wachen Position beziehen, die ausgebildet waren im Umgang mit dem Bogen, mit Armbrüsten und Speeren.
    »Aye.« Die beiden Männer und die Frau machten sich umgehend an die Arbeit, ohne weitere Fragen zu stellen. Sie würden die Gründe früh genug erfahren, sobald das Lager gesichert und die Krieger kampfbereit waren.
    Milt und Finn hingegen wollten mehr wissen. »Was hat das für einen Grund?«, fragte Finn. Milt ließ ihn reden, da er mit Veda ohnehin auf Kriegsfuß stand. »Das ist doch keine Beschäftigungstherapie.«
    »Nein«, antwortete die Amazone. »Die Gog/Magog ziehen gegen uns. Der Schattenlord hat sie befreit.«
    »Die Gog/Magog? Verbündete des Schattenlords?« Finn blieb die Luft weg, er war für einen Augenblick sprachlos.
    »Bist du sicher?«, fragte Milt entsetzt.
    »Niemand außer ihm oder der Schöpferin kann sie befreien, selbst Alberich nicht.« Veda nickte. »Ich bin absolut sicher. Ich habe sie nach eurer Beschreibung erkannt; es gibt niemanden sonst in Innistìr, der so aussieht wie sie.«
    Finn rieb sich die Stirn. »Er hat behauptet, der Schattenlord würde die Kontrolle ohne Kampf und Krieg übernehmen!«, stieß er heiser hervor.
    »Wer?«, fragte Veda.
    »Arun ...«
    »Dann ist er für einen so alten Mann reichlich naiv.« Die Amazone zuckte die Achseln. »Offenbar hat der Schattenlord es eilig. Oder er benötigt den Palast Morgenröte als festen Stützpunkt für die weitere