Die silberne Maske
seinem Willen nicht mehr beugen würde und dabei war, das Reich des Priesterkönigs rücksichtslos in Schutt und Asche zu legen und selbst gegen Sinenomens eigene Völker vorzugehen, entzog er ihnen seinen Schutz. Damit schlug die Stunde der erzürnten Götter. Ein Sturm kam auf, der die gesamte Schar erfasste und davonwirbelte. Hinter eine gewaltige Kupfermauer, hieß es, und vielleicht stimmt es, denn man hat seither nie wieder von den Ostkriegern gesehen oder gehört, und sie gerieten endgültig in Vergessenheit.
Und die Hundert Gerechten ruhen noch immer unter dem See. Festgehalten an einem Ort, der ihre Schuld festhält. Wartend, dass sie ein letztes Mal in die Schlacht gerufen werden. Um ihre Ehre zurückzugewinnen und so nach Annuyn gehen zu können. Dann kann Samhain ihnen die Drei Fragen gestatten und sie ins Leben zurückbringen.«
Yem verstummte, und ein paar Herzschläge lang war nichts weiter zu hören als das Prasseln des Lagerfeuers.
»Wenn wir den See finden«, fügte er dann hinzu, »wissen wir, dass die Legende wahr ist.«
Zoe bemerkte, dass das Mürrische aus Birücs und Azzagars Gesicht verschwunden war. Tief betroffen schauten die Männer zu Boden. Es war ein günstiger Augenblick, und Zoe nutzte ihn.
»Ich finde, die Hundert Gerechten haben eine Chance auf Erlösung verdient.«
»Und wir werden sie ihnen geben«, sagte Laycham. »Ihre Freiheit wird auch die Dar Anuins werden.«
6
Eine kühne
Herausforderung
I ch kann sie nicht die ganze Zeit über geknebelt lassen«, sagte Finn. »Das ist Folter. Und ich werde sie auch von ihren Fesseln befreien.«
Luca zuckte die Achseln. »Du musst wissen, was du tust.«
»Sie ist deine Schwester!«, versetzte der Nordire empört.
»Nicht mehr«, murmelte der Dreizehnjährige und schien kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Wie kannst du das sagen!« Milt trat hinzu, mit ernster Miene.
Der Junge schüttelte den Kopf. Er deutete auf die Hütte, in der seine Schwester Sandra gefesselt und geknebelt lag. »Ich weiß nicht, wer das da drin ist«, flüsterte er. »Sie ist mir fremd. Sie sieht aus wie Sandra, aber sie ist es nicht. Meine Schwester war eine Nervensäge, die für Justin Bieber und Hollywood geschwärmt hat, sie wollte Schauspielerin werden oder Model wie Zoe. Sie dachte ans Schminken und Küssen und machte sich ständig über mich lustig. Kein Tag, an dem wir nicht gestritten haben oder sie mit Mama und Papa. Aber niemals ... niemals hätte sie sich zur Predigerin entwickelt. Der Schattenlord hat ihr das angetan! Und Innistìr. Es hat sie völlig verändert. Das ist nicht mehr meine Schwester!«
»Nun, wir können ihr bestimmt dabei helfen ...«, begann Finn, kam jedoch nicht weiter.
Luca schluchzte auf. »Ich sage euch jetzt mal was. Alle habt ihr uns allein gelassen, habt euch nicht dafür interessiert, wie es uns geht, es ging immer nur um euch! Wir waren nur irgendwelche lästigen Anhängsel, die man am besten nicht wahrnimmt. Da seht ...«, anklagend deutete er erneut auf die Hütte, »... was daraus wurde! Das ist eure Schuld, von euch allen!«
Weinend lief er davon.
Milt und Finn sahen sich betroffen an und waren ratlos. Arun, mit Nidi auf der Schulter, kam zu ihnen.
»Wir haben es gehört«, sagte der Korsar. »Und ich glaube, der Junge hat verdammt recht.« Er wandte sich Veda zu, die gerade an ihnen vorbeikam. »Was ist da nur vorgefallen im Vulkan? Wie konnte das geschehen?«
»Was fragst du mich?«, erwiderte die Amazone. »War ich anwesend? Oder du? Alles, was ich weiß, ist Folgendes: Seit ihr in Cuan Bé eingetroffen seid, ging es bergab.«
»Du gibst uns die Schuld?«, rief Milt fassungslos.
»Wer hat denn den Schattenlord bei uns eingeschleppt?«, erwiderte sie. »Wir haben euch Gastfreundschaft zuteilwerden lassen, euch Schutz und Asyl geboten, und so dankt ihr es uns?«
»Du machst es dir ja ganz schön einfach!«, warf Nidi mit schriller Stimme dazwischen. »Aber Laura auf gefährliche Missionen schicken, dafür war sie euch gut genug!«
»So lasse ich nicht mit mir reden«, sagte Veda warnend, ihre blauen Augen blitzten.
»Nur zu, zieh dein Schwert gegen mich!«, keifte Nidi. »Ich bin ja nur ein Zehntel so groß wie du!«
»Du nimmst das zurück, Veda!«, schnaubte Milt.
Finn legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lass gut sein«, sagte er leise.
Milt schüttelte seine Hand ab. »Nein, es ist nicht gut!« Er wurde immer lauter. Die Geräusche rings um sie verstummten nach und nach, und immer
Weitere Kostenlose Bücher