Die silberne Maske
mehr Iolair kamen neugierig heran. Nur selten wagte jemand einen Streit mit Veda. »Ich habe es satt! Ständig müssen wir uns rechtfertigen, dass wir hier gestrandet und Reinblütige sind - wir haben uns das nicht ausgesucht, verdammt noch mal! Seit Anbeginn zeigen wir uns kooperativ, einer von uns ist sogar ein Iolair geworden, der euch eine Menge beigebracht hat!«
Veda zog jetzt langsam ihr Schwert. »Niemand redet so mit mir«, wiederholte sie.
Milt stieß Finn beiseite, der ein weiteres Mal beschwichtigend eingreifen wollte. Er hatte nicht mehr als ein langes Messer, aber das zerrte er jetzt aus dem Gürtel. »Das ist mir völlig egal, du arrogantes, hochmütiges Mannweib!«, schnaubte er, vollends außer Fassung. »Ich habe sowieso nur noch fünf Wochen zu leben, also scheiß drauf! So bewahre ich mir wenigstens einen letzten Rest Würde! Selbst als Seele auf dem Fliegenden Holländer gefangen zu sein ist mir allemal lieber, als ständig vorgehalten zu bekommen, welcher Dreck wir für euch sind und wie dankbar wir euch zu sein haben! Ich bin es nicht !«
Die Iolair bildeten einen Kreis um sie, der Finn ausschloss. Veda ging langsam, die Schwertspitze gegen den Boden gerichtet, um den Bahamaer herum. Der drehte sich mit ihr, in leicht geduckter, angriffsbereiter Haltung mit halb erhobenem Messerarm.
Finn hätte sich der Amazone eher stellen können, er war ein ausgebuffter Straßenkämpfer. Doch er wusste, dass er nicht einmal für zehn Sekunden eine Chance gegen Veda hätte. Sie war so stark wie zwanzig Soldaten, das wusste jeder. Niemand, abgesehen von Leonidas vielleicht, konnte es mit ihr aufnehmen.
Dessen war sich Milt bestimmt ebenso bewusst. Aber in seiner Sorge um Laura und die erzwungene Untätigkeit hier im Lager war für ihn eine Grenze erreicht, die keinen Kompromiss mehr zuließ.
Finn hätte ihm gern zugerufen, wie er das Laura erklären sollte, wenn ihm etwas zustieße, aber das hätte nur Öl aufs Feuer gegossen. Niemand konnte jetzt mehr eingreifen, um den Kampf zu verhindern, deshalb tat es auch keiner.
Alle waren überreizt, denn die Situation überforderte jeden gleichermaßen. Zu Beginn hatten die Iolair einen Aufstand gegen den Usurpator Alberich geplant. Nun aber war der Schattenlord als unüberwindlicher Feind hinzugekommen, der aktiv geworden war und die Geheimbasis innerhalb kürzester Zeit übernommen hatte. Wie sollten sie von hier aus den Gefährten in Cuan Bé helfen? Wie sollte ihre im Lager verbliebene Handvoll Rebellen gegen Alberich vorgehen?
War Innistìr denn überhaupt noch zu retten?
Die Gestrandeten boten da das Ventil, durch das man sich auslassen konnte. Sie waren Außenseiter, »nicht so wie die anderen« und in Innistìr nicht heimisch. Man gab ihnen die Schuld, weil scheinbar alle Veränderungen durch ihr Erscheinen in Gang gesetzt worden waren. Wie ungerecht das war, wussten die Iolair gewiss selbst, aber der schwelende Konflikt zwischen ihnen baute sich immer mehr auf - und hatte sich nun entzündet.
Anstatt also sich gegenseitig Mut zu spenden, wollten sie sich fertig machen, um ihren Groll, ihre Frustration und ihre Angst loszuwerden.
Veda ließ das Schwert fallen. »Für dich brauche ich keine Waffe, kleiner Mann«, zischte sie.
So klein war Milt gar nicht, über einsachtzig, aber um an Veda heranzureichen, hätte er nochmals gut zehn Zentimeter zulegen müssen. Und zehn Kilo oder mehr an Muskelmasse.
Finn wünschte sich, dass Cedric oder wenigstens Jack hier wäre. Oder einer der Anführer der Iolair. Wie sollte das Unglück verhindert werden? »Milt, was hast du vor?«, murmelte er besorgt. »Wozu soll das gut sein?«
Er warf einen Blick zu Arun, doch der hatte sich abgewandt und ging kopfschüttelnd davon. Nidi saß auf seiner Schulter und schnatterte etwas, das Finn auf die Entfernung nicht verstehen konnte. Die beiden verstanden sich seit ihrer ersten Begegnung außerordentlich gut; selbst wenn Laura da war, hielt der kleine Schrazel sich meistens bei dem Korsaren auf. Was verband die beiden? Und warum mischten sie sich jetzt nicht ein? Tja, wenn selbst ich es nicht kann ... immerhin sind Milt und ich Freunde.
Jeder wusste, dass dies ein Kampf war, den der sterbliche Mensch nicht gewinnen konnte. Nur mit viel Glück konnte er der Amazone für ein paar Augenblicke standhalten.
Milt war stets ein besonnener und ernster Mann gewesen, kein Hitzkopf. Warum tat er das also? Worauf legte er es an? Wollte er Respekt gewinnen? Dafür war es längst zu
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