Die silberne Maske
nach jahrtausendelangem Leid erlöst.
Sollte das nicht Hoffnung bieten für die anderen?
Für jeden Einzelnen, einschließlich ihr selbst?
»Lasst uns gehen«, sagte Spyridon. »Ich kann nicht mehr länger verweilen.«
13
Das Geheimnis
der Tiefe
V or zwölf Tagen.
Die Wellen waren so angenehm! Erfrischend und kühl, dabei gerade warm genug, dass Zoe ohne Frösteln durchs Wasser gleiten konnte. Sie stöhnte, weil es so guttat, den Schweiß und Staub des langen Rittes endlich abzuspülen.
Bei Sonnenaufgang waren die Elfenkrieger in den Grüngürtel aufgebrochen, um noch einmal - zum letzten Mal - nach Überresten des Hofes zu suchen, von dem sich Laycham einen Hinweis auf die Hundert Gerechten erhoffte.
Der Prinz und der Hauptmann waren im Lager geblieben und besprachen leise das weitere Vorgehen.
Ursprünglich hatte sie sich vorgenommen, den See zu durchqueren. Doch nach einer Weile bemerkte Zoe, dass sie an Tempo verlor, und so setzte sie sich ein neues Ziel bis zur Mitte. Sie sollte nicht zu lange im Wasser bleiben, die anderen konnten jeden Moment zurückkehren. Sie hatte sich genug erfrischt und erholt und zudem ihren Geist gereinigt.
Noch an diesem Tag würden sie nach Dar Anuin aufbrechen, am nächsten ihr Leben aufs Spiel setzen und es bis zum Abend mit einiger Wahrscheinlichkeit verloren haben. Alle. Auch Zoe. Und trotzdem ritt sie mit ihnen weiter.
Sei verflucht, Maletorrex! Und du, Boeing 737-200 der Bahamasair! Warum, bist du nicht in der Luft geblieben, du blöde Schrottkiste?
Im nächsten Moment brummte etwas an ihr vorbei, was aus den Augenwinkeln aussah wie ein arg geschrumpftes Flugzeug. Es hatte sogar die Heckfarben der soeben verfluchten Maschine, und Zoe fragte sich unsicher, was sie da getan hatte.
Nichts, wie sich herausstellte, als der blaugoldene Flieger herumschwenkte und sein Gesicht präsentierte.
»Gucci!«, rief Zoe erfreut. »Ich dachte, du wärst längst weg! Wo hast du denn deine Gefährtin gelassen?«
Der große Vampirkäfer zeigte auf sie.
Zoe spürte ein Kribbeln am Haaransatz und schielte nach oben. Über dem Ansatz ihrer Maske schob sich ein Kugelkopf in Sicht, mit schwarzen Fühlern, die freundlich zu winken schienen.
»Hallo, Prada!« Zoe winkte mit einem Finger zurück. »Schön aufpassen, ihr zwei, dass ihr nicht ins Wasser fallt und ertrinkt!«
Guccis niedliche Alte-Leute-Miene wirkte auf einmal traurig. Er ließ das Köpfchen hängen, dass die Fächerfühler scheinbar kraftlos nach vorn kippten. Alle vier Beine baumelten herunter. Noch deutlicher konnte ein Käfer seinen eigenen drohenden Tod nicht betrauern.
»Schon gut - die Botschaft ist angekommen.« Zoe zeigte auf ihren Kopf. »Bitte Platz nehmen!«
Sie lächelte, während sie weiterschwamm. »Also, ich habe in meiner Karriere einige schräge Jobs ausgeführt, aber Käfertaxi spielen ist was Neues!«
Allerdings nahm sie sich vor, ihre beiden Passagiere zu verscheuchen, ehe sie umkehrte. Birüc war auf »ihre« Nukken gar nicht gut zu sprechen, seit er auf dem Fell seines Pferdes ein paar getrocknete Blutstropfen entdeckt hatte ...
Ungefähr in der Mitte des Sees verlor Zoe die Lust daran, zwei Käfer spazieren zu tragen. Ihr wurde warm unter der Maske, und sie wollte ihr Gesicht abkühlen.
»Zieht Leine, Kinder! Ich werde jetzt ein bisschen tauchen!«, sagte sie.
Prada und Gucci gaben protestierende Piepsgeräusche von sich und zupften an Zoes Haaren, brummten letztendlich aber los wie befohlen. Kaum waren sie fort, holte Zoe Luft und tauchte kopfüber in die Wellen.
Sauerstoffbläschen perlten von ihrer Haut, während sie in tieferes Wasser vordrang. Der Temperaturunterschied zur Oberfläche war spürbar, deshalb hätte das plötzliche Hitzegefühl auch wieder verschwinden müssen.
Tat es aber nicht.
Einen Moment lang zerflimmerte das Bild vor ihren Augen.
Zoe wurde unruhig und fragte sich: Warum ist mir eigentlich so heiß? Und wieso nur im Gesicht?
Sie wollte umkehren und lieber an der Luft darüber nachdenken. Das nahm sie sich vor. Bei jedem Schwimmzug, der sie tiefer unter Wasser führte.
Hoch! Hoch, verdammt noch mal! Zoe bekam es mit der Angst zu tun, denn sie tauchte und tauchte immer weiter. Gegen ihren Willen. Was ist los mit mir?
Verzweifelt versuchte sie umzukehren, die Kontrolle wiederzuerlangen über ihren Körper, der ihr nicht mehr gehorchte. Beängstigende Diagnosen fielen ihr ein: Sonnenstich, Schlaganfall, neurologischer Defekt ...
Doch es war nichts dergleichen.
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