Die silberne Maske
Dar Anuin, und mein Angebot, dich vor der Stadt abzusetzen, steht noch immer.«
»Ja-ja.« Sie knuffte ihn in die Seiten. »Lass mir Strickzeug da, damit mir nicht langweilig wird, während du um dein Leben kämpfst.«
Birüc kam heran, wie so oft zuvor. Diesmal allerdings brachte er jemanden mit.
»Ist sie das? Deine Stadt?« Zulaimon zeigte auf den Vulkan.
Laycham nickte stumm.
Der kleinwüchsige Hauptmann ritt ein Schattenpferd, das lautlos neben dem Hengst des Prinzen trabte. Es war ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Es bestand aus Götterstaub und heiliger Erde wie die ganze Armee der Hundert Gerechten.
Es lebte nicht, es war nicht tot. Solche Ersatzwesen dienten dazu, den letzten Herzschlag einer sterbenden Kreatur auf der Grenze nach Annuyn abzufangen, damit er nicht verhallte und verloren ging, hatte Zulaimon erklärt. Sie trugen ihn in sich, und das gab ihnen die Fähigkeit der fließenden Bewegungen.
Aus der Ferne betrachtet lief dieses Pferd wie jedes andere Pferd. Nur eben lautlos und ohne je den Kopf zu werfen oder zu grasen.
»Wie wollen wir vorgehen, Herr?«, fragte Birüc. »Wir könnten in breiter Reihe auf Dar Anuin zureiten und unsere Stärke demonstrieren.«
»Das können wir auch lassen!«, rief Zulaimon empört. Er hatte sich mittlerweile von seinem Moosbewuchs befreit, doch seine Haut trug nach wie vor einen leichten Grünton, was besonders dann auffiel, wenn er sich ärgerte.
»Wir werden diesem ... Maletorrex sicher nicht die Möglichkeit geben, seine Gegner zu taxieren und sich entsprechend vorzubereiten!«
»Hast du eine bessere Idee, Hauptmann ?«, schnarrte Birüc.
»Habe ich, Hauptmann !«, gab Zulaimon zurück.
Laycham hob Einhalt gebietend die Hand. »Kann ich auch mal was sagen? Danke! Wir reiten nach Westen, zu dem Waldstück. Dort lagern wir, und wenn es dunkel wird, schicke ich Späher zur Stadt. Wir müssen erst die Lage sondieren, bevor wir etwas unternehmen: Maletorrex zu unterschätzen wäre fatal!«
»Und dann?«, fragte Birüc.
»Dann sehen wir weiter«, sagte der Prinz.
Der Tag verging quälend langsam. Das Waldstück war schnell erreicht, ein Lager rasch errichtet, und danach hatten die Krieger aus Dar Anuin jede Menge Zeit, um sich ihren Sorgen zu widmen. Lebten Gefährtinnen und Kinder noch? Wie ging es Freunden und Verwandten?
So mancher sehnsüchtige Blick wanderte vom Waldrand zum fernen Mateysköll, und die Stimmung im Lager sank und sank. Laycham tat sein Bestes, um den Männern Mut zu machen, ihre Hoffnung zu stärken. Mehr als ihnen sagen, dass das Gute triumphieren würde und jede noch so dunkle Nacht der Morgensonne weichen musste, konnte er nicht. Es gab keine Möglichkeit, aus der Ferne festzustellen, ob in Dar Anuin überhaupt noch jemand lebte.
Als die Dämmerung fiel, machte der Prinz sich mit Birüc und Zulaimon auf den Weg. Zoe hatte darauf bestanden, ihn zu begleiten. Doch sie ließ sich umstimmen, als der kleine Hauptmann ihr eröffnete, dass sie Schattenpferde reiten würden. Die dunklen Wesen waren zuverlässig und still - und Zoe graute es vor ihnen.
Auch Laycham fühlte sich nicht wohl beim Anreiten. Er war das Muskelspiel seines feurigen Hengstes gewohnt, das Temperament, die wallende Mähne. Das Schattenpferd hingegen hatte weder Feuer noch das kleinste wehende Haar. Es bewegte nur seine Beine - aber die mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
Der Abendwind raubte Laycham die Luft während des Ritts durch die Ebene. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis die Stadt am Drachenzahnfelsen vor ihm aufwuchs mit ihren Lichtern, den uralten prächtigen Gebäuden und dem vielen Grün. Laycham war irritiert, als er sein Pferd zum Stehen brachte. Bei seiner Flucht hatte das echte Dar Anuin unter der nach der Übernahme durch die Priester errichteten Tarnglocke gesteckt. Wo war sie hin? Was war geschehen? Und die Elfen! Da waren Lagerfeuer, an denen sich viele von ihnen wärmten!
Der Hoffnungsfunke, den dieser wunderbare Anblick in Laycham entzündet hatte, erlosch im nächsten Moment wieder und hinterließ eine Leere, so schwarz und kalt wie die Pforte nach Annuyn.
Denn in den Feuern verbrannten Habseligkeiten, die Elfen am Flammenrund waren ausgemergelt und fast alle verletzt, und was vor der Stadt am Boden lag ... waren Tote.
Laycham schluckte hart, bevor er sich an Birüc und Zulaimon wandte.
»Wir müssen versuchen, ungesehen zu bleiben«, sagte er leise. »Lassen wir die Pferde hier stehen und gehen zum Vulkanrand hinter der Stadt.
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