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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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die Familie Hummelshain und der Ratsherr Heinz Scherf. Nicht einmal der Buchhändler Andreas Wollensecker, der sich insbesondere als Geldverleiher einen Namen gemacht hatte, kam auch nur in die Nähe dieser Summe. Und das, obwohl der Wucherer 40 von 100 Gulden als Zins nahm.
    Überdies hatte Mattstedt ein angenehmes Äußeres. Die dunklen Haare reichten ihm bis zum Kragen und waren tadellos frisiert, der Kinnbart ordentlich gestutzt, sodass er den sensiblen Mund nicht verbarg. Er hatte braune Augen, die jederzeit bereit waren zu lächeln. Die meisten seiner Geschäftspartner ließen sich bei der ersten Begegnung von seiner Größe einschüchtern, denn Mattstedt überragte die meisten anderen Männer um einen halben Kopf. Doch im Wesen war er freundlich, gerecht und überaus besonnen. Schnelle Geschäfte waren nicht seine Sache, dafür lang anhaltende und sich stetig entwickelnde Verbindungen zu den Kaufleuten in aller Herren Länder. Das Gerücht besagte, dass er auf einer Reise vor einigen Jahren sogar einmal den Zamorin von Calicut, den Herrscher von Südindien, kennen gelernt haben sollte. Ob das stimmte, wusste niemand genau, doch handelte Mattstedt als bisher einziger Kaufmann der Stadt mit so seltenen und kostbaren Gewürzen wie Safran, Ingwer und Kardamom. Sogar Indigo, das neue Mittel, mit dem man Stoffe blau färben konnte, verkaufte er.
    Nur in der Liebe schien er bisher kein Glück gehabt zu haben. Noch immer war er unverheiratet, obwohl an Bewerberinnen wahrlich kein Mangel herrschte.
    Eva aber hatte ihn vom ersten Augenblick an gemocht. Der Kaufmann erinnerte sie an ihren Vater. Mattstedt strahlte dieselbe Ruhe aus wie Isaak Kopper. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte.
    Andreas Mattstedt half Eva galant über einen Haufen Pferdeäpfel hinweg, dann gingen sie an der Hauptkirche der Stadt, an St. Nikolai vorbei und bogen dahinter in die Ritterstraße ein, in der der Feinschmied seine Werkstatt hatte.
    Die Hitze und der Lärm waren geradezu infernalisch. Mattstedt musste brüllen, damit der Feinschmied sie bemerkte.
    Sofort stellte er einen Gesellen an den Amboss, an dem er gerade gearbeitet hatte, klopfte sich die schwere Lederschürze sauber, wusch sich die Hände und bat die Besucher in die gute Stube, die ein Stockwerk über der Werkstatt lag.
    Auch hier oben hörte man immer noch das Klopfen der Hämmer. Doch der Raum war gut gelüftet, auf dem Boden lagen Binsen mit einigen Blüten darin. Es roch nach Scheuerseife und Bienenwachs.
    «Nehmt Platz. Setzt Euch, setzt Euch.»
    Meister Nietzsch rückte Eva beflissen einen Stuhl zurecht und reichte ihr ein Kissen für den Rücken.
    Dann kam die Meisterin und brachte einen Krug mit frischem Apfelmost.
    «Macht Euch keine Umstände, Meister Nietzsch», sagte Mattstedt höflich. «Und auch Ihr, Meisterin, braucht Euch nicht um unser Wohl zu sorgen. Wir sind gekommen, um die Werkzeuge zu holen.»
    Der Meister erhob sich von seinem Schemel und ging zu einer Anrichte, auf der mehrere Lederbehältnisse lagen. Er brachte sie zum Tisch und legte sie vorsichtig und sorgfältig vor Eva und Mattstedt hin, so als wären es wertvolle Reliquien. Sie gehörten zwar nicht in eine Kirche, doch kostbar waren die zahlreichen feinen Hämmer, die winzigen Stichel, der kleine Amboss, die Silberstifte, Bechereisen, Feilen, Bohrer, Gewindeschneider, der Zirkel und das Bandmaß aus Silber tatsächlich.
    Vorsichtig nahm Eva einen Gewindeschneider zur Hand, hielt ihn gegen das Licht und betrachtete das Werkzeug aufmerksam.
    «Eine feine Arbeit, Meister Nietzsch», lobte sie, und der Meister atmete auf.
    Nach und nach betrachtete Eva alle Werkzeuge. Sie hatte natürlich ihre eigenen Arbeitsgeräte dabei, doch der Meister, der der Werkstatt vorstehen würde, brauchte ebenfalls gute Werkzeuge. Ein Punzeisen schien ihr nicht recht geraten, und Meister Nietzsch versprach, es nachzuarbeiten. Mit dem Bechereisen, dem kegelförmigen Zylinder aus Eisen, der sich nach einer Seite verjüngte und zum Austreiben des Goldes bis zur Halbkugelform diente, war Eva so zufrieden, dass sie gleich eine neue Bestellung in kleineren und größeren Abmessungen aufgab.
    Die Schere zum Schneiden feiner Bleche und die kleine Drahtziehbank ließ sie in der Lederhülle, da Meister Nietzschs Arbeiten sie überzeugt hatten.
    Mattstedt, dem die neue Silberschmiedewerkstatt gemeinsam mit Eva gehörte, holte einen Beutel hervor und legte 18 Gulden und sieben Groschen als Restzahlung auf den Tisch.
    Er hieß

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