Die Silberschmiedin (2. Teil)
darauf, dass Mattstedt etwas sagte, doch dieser sah sie nur lächelnd an und holte dann aus einer ledernen Tasche, in der er sonst Papiere zu transportieren pflegte, ein längliches Päckchen, das in Samt gehüllt war.
«Packt es aus, Eva. Dies ist mein Ankunftsgeschenk für Euch.»
Eva sah auf und betrachtete einen Augenblick lang sein Gesicht. «Ihr habt mir ein Geschenk gemacht?» Sie war erstaunt.
Mattstedt nickte. «Und ich hoffe, Ihr gestattet mir auch in der Zukunft, Euch hin und wieder mit einer Kleinigkeit zu erfreuen.»
«Warum?», fragte Eva arglos, griff nach dem Samtpäckchen und wickelte es aus.
«Oh, eine Kölner Waage!», rief sie beglückt und strich beinahe zärtlich über das kostbare Messinstrument, das so hervorragend gearbeitet war wie ein Schmuckstück, und vergaß darüber ihre letzte Frage. Jetzt wusste sie, warum Mattstedt nach den Maßeinheiten gefragt hatte!
Beinahe wäre sie ihm um den Hals gefallen. Sein begehrlicher Blick hielt sie davon ab. Sie spürte, wie das Blut ihre Wangen rot färbte, und sah verlegen auf die Kölner Waage.
«Ein ausgezeichnetes Stück, Mattstedt. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll.»
Mattstedt nahm ihre Hand und küsste sie, dann sagte er: «Gestattet mir einfach, Zeit in Eurer Nähe zu verbringen. Das ist der größte Dank, den ich mir vorstellen kann.»
Eva entzog ihm ihre Hand und strich noch einmal über die Waage. «Warum macht Ihr mir ein so großes Geschenk?»
«Nun, Ihr scheint mir eine besondere Frau zu sein.»
Eva schaute Mattstedt in die Augen und antwortete mit großem Ernst: «Nein, das möchte ich erst werden.»
Sie hielt inne und ließ den Blick schweifen: «Mitten in die Welt habe ich dich gestellt, sprach Gott, damit du umso leichter um dich schaust und siehst, was darinnen ist. Ich schuf dich als ein Wesen weder himmlisch noch irdisch, weder sterblich noch unsterblich, allein, damit du dein eigner freier Bildner und Gestalter seist. Du kannst zum Tier entarten und zum Gott ähnlichen Wesen dich wiedergebären», zitierte sie mit demselben Ernst, mit dem ein Priester von der Kanzel predigte.
«Pico della Mirandola in ‹De dignitate homini› oder auf Deutsch ‹Über die Würde des Menschen›. Ich kenne diese berühmte Rede, die unter den Theologen und Philosophen für Aufruhr gesorgt hat.»
«Ihr kennt sie?» Eva war erstaunt.
Mattstedt nickte. «Ja, gewiss. Es gibt einige kluge Männer und Frauen in unserer kleinen Stadt, die sich unter anderem auch damit beschäftigen. Der Drucker Kachelofen, Euer Nachbar, hat sie sogar gedruckt. Interessiert Ihr Euch dafür?»
Eva nickte eifrig. «O ja, sehr sogar.»
«Kennt Ihr Mirandola vielleicht persönlich? Das könnte gut sein, schließlich wart Ihr zur selben Zeit wie er in Florenz.»
Eva schüttelte den Kopf. «Nein, wir haben sehr zurückgezogen gelebt. Ich habe nur von ihm reden hören. Mein Lehrmeister, Andrea della Robbia, war sein Anhänger.»
«Nun, wenn Ihr wollt, so kann ich Euch sehr gern ein Exemplar davon besorgen.»
Mattstedt hielt inne, sah Eva an und lächelte: «Nein, besser noch, ich nehme Euch mit in unseren kleinen Kreis. Dort könnt Ihr hören, was andere über Mirandola und die Welt denken.»
«Was ist das für ein Kreis? Und welchem Zwecke dient er?» Eva war neugierig geworden.
«Unsere kleine Fraternität beschäftigt sich mit den neuen Fragen des Glaubens», erklärte Mattstedt.
«Ihr widersprecht der Kirche?»
Der Kaufmann schüttelte den Kopf. «Nein, wir versuchen nur, die Dogmen zu überprüfen. Solange die Bibel nur von den Geistlichen ausgelegt wird, hat die Kirche die Macht. Sie entscheidet, was gut und böse ist, sie legt fest, wer an welchem Platze steht, und kann sich ungestraft am Volk bereichern. Das wollen wir ändern. Das Wort Gottes bedarf neuer Vermittlung, es muss direkt vom Volk erfahrbar sein. Unsere Vorbilder sind die Philosophen aus Italien, die die Welt ganz neu erklären.»
«Ihr wünscht Euch ein Leben, das so frei ist wie in Italien?»
«Ja, Eva. Das wünschen wir uns nicht nur, wir wollen sogar versuchen, unseren bescheidenen Beitrag dazu zu leisten.»
«Gern würde ich Euch zu Eurer nächsten Versammlung begleiten.»
«Es wäre mir eine große Freude, Euch in meinem Haus begrüßen zu dürfen», antwortete Mattstedt und verneigte sich ein wenig.
Eva nahm seine Hand. «Ich danke Euch sehr. Für alles, Andreas Mattstedt. Und ich hoffe, ich kann es Euch eines Tages zurückgeben.»
«Ihr seid mir nichts
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