Die Silberschmiedin (2. Teil)
Frauen, die wie Eva über eine umfassende Bildung verfügten – in der Tafelstube des Mattstedtschen Hauses anwesend. Der hohe Raum kam Eva sehr männlich vor. Es gab nichts Verspieltes darin. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, die Lehnstühle mit Lederpolstern bezogen, die wenigen Möbel zwar mit kostbaren Schnitzereien versehen, doch alles in allem wirkte der Raum schmucklos und sachlich. Eva ließ ihre Blicke schweifen und stellte sich dort einen silbernen Kandelaber, da ein Sträußchen getrockneter Blumen und an der nächsten Stelle einen Wandbehang vor. Dabei lauschte sie aufmerksam jedem Wort, das gesprochen wurde. Andreas Mattstedt berichtete von weiteren Aufständen.
«Auch in Schlettstadt im Elsass haben sich die Bauern unter der Fahne des Bundschuhs zusammengeschlossen, um gegen das ungerechte Rechtssystem, die hohen Steuern und die Leibeigenschaft vorzugehen», fasste Mattstedt zusammen.
Er kramte in den Papieren, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und holte schließlich einen der gedruckten Handzettel hervor, die allerorten verbreitet worden waren.
«Die Ziele des Bundschuhs sind klar und gerecht:
Kein Herr als Kaiser, Gott und Papst,
Kein Gericht soll gelten als das am Wohnort,
Geistliche Gerichte seien auf Geistliches beschränkt,
Sowie die Zinsen die Höhe des verliehenen Geldes erreichen, ist der Schuldner frei,
Fisch-, Vogelfang, Holz, Wald und Weide sollen frei sein,
Jeder Geistliche soll nur eine Pfründe haben,
Verteilung des überflüssigen Kirchengutes an Arme;
ein Teil in die Kriegskasse,
Unbillige Zölle und Steuern gelten nicht,
Ewiger Friede in der Christenheit; die Kriegslüsternen schickt man gegen die Heiden.»
«Wie der Aufstand ausgegangen ist, haben wir alle gehört», fuhr Johann von Schleußig fort: «Er wurde rasch niedergeschlagen. 40 Verschwörer wurden hart bestraft, darunter auch die Anführer. Johann Ullmann wurde in Basel gevierteilt. Arme und Beine wurden an Ochsen gebunden, dann trieb man die Tiere auseinander, sodass schließlich der Rumpf des armen Ullmann in der Mitte durchriss. Es heißt, er habe nicht ein einziges Mal geschrien.»
Die Gattin des Theologieprofessors schüttelte sich. «Es ist einfach grauenvoll. Zeit wird es, dass der Mensch wie ein Abbild Gottes behandelt wird. Der Mensch ist doch nicht des Menschen Wolf.»
Der Hauslehrer Thanner klopfte auf den Tisch. «Ja, Zeit wird es, dass sich etwas ändert. Wie aber sieht es in Leipzig aus?»
Der Stadtschreiber fühlte sich aufgefordert, diese Frage zu beantworten. «Der Sommer dieses Jahres war verregnet, die Ernte dementsprechend. Viel Korn ist auf den Feldern verfault, doch wir hatten schon schlimmere Zeiten. Die neue Krankheit, Franzosenkrankheit geheißen, hat Leipzig erreicht.»
Der Stadtmedicus unterbrach den Schreiber: «Ja, fünf Fälle hatte ich schon, doch es gibt kein Mittel dagegen. Vier Männer sind bereits gestorben. Ich befürchte, dass sich die Krankheit zur Seuche auswächst.»
Die Thannerin fragte nach: «Franzosenkrankheit? Was ist das? Wie macht sie sich bemerkbar?» Während sie sprach, kratzte sie sich unablässig am Arm, als spüre sie bereits Anzeichen.
Der Medicus lehnte sich in seinem Stuhl zurück: «Nun, wie es scheint, gibt es mehrere Stadien der Krankheit. Meine fünf Patienten berichteten, dass sie zuerst ein rötliches Geschwür bemerkt hätten, das eine farblose Flüssigkeit abgesondert habe. Dann hätten sie rötlichbraune Flecken auf der Haut bekommen, teilweise auch Haarausfall. Drei Männer hatten hohes Fieber, alle aber klagten über große Mattigkeit, Müdigkeit und Schmerzen am ganzen Körper. Im letzten Stadium schließlich werden die Menschen irr und fangen an, Dinge zu sehen, die es nicht gibt.»
Die Thannerin schüttelte entsetzt den Kopf. «Wie holt man sich die Krankheit?»
«Im Badehaus. Und natürlich in fremden Betten. Die Franzosenkrankheit ist Gottes Strafe für die Unzucht, die überall getrieben wird. Eine verheiratete Frau wie Ihr braucht keine Angst zu haben, so sie sich an die Tugend hält», beendete der Stadtmedicus seine Ausführungen.
Andreas Mattstedt runzelte die Stirn. «Was gibt es noch an Neuigkeiten?»
Der Stadtschreiber blätterte in den Annalen. «Unser Kurfürst Friedrich ist nach Jerusalem gezogen, und die Barfüßer haben zwischen dem Rheinischen Tor und dem Barfuß-Pfortlein einen Kirchenbau begonnen.»
«Nun, das wissen wir alle. Wie aber sieht es unter den Bürgern aus?», fragte der Theologieprofessor
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