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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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blind gehorchen. Nicht den Ehemännern und nicht der Kirche.»
    «Meine Mutter», sagte Eva, «hat ihr ganzes Leben lang nur auf sich selbst gehört. Sie wusste alles, nur von der Liebe hat sie nichts gewusst.»
    Ute lachte: «Meinst du etwa, die Liebe verträgt sich nicht mit Gelehrsamkeit? Oh, du täuschst dich. Wer viel weiß, weiß auch mehr über sich.»
    «Und die Wollust?», fragte Eva besorgt. Sie dachte an Susanne, die nur so wenig wusste, aber die Liebe genau zu kennen schien.
    «Liebe und Wollust sind zwei unterschiedliche Dinge. Die Liebe ist eine Fähigkeit. Man kann sie erlernen wie ein Handwerk. Die Wollust aber haust in dir und will von dir beherrscht werden, sonst beherrscht sie dich.»
    Eva spürte Utes Blicke auf sich. «Ich werde Mattstedt heiraten. Er hat um meine Hand angehalten.»
    «Das freut mich sehr», erwiderte Ute. «Wenn er auch ein Kaufmann vom alten Schlag ist, so versucht er doch, mit der neuen Zeit Schritt zu halten. ‹Er geht in Fuggers Schuhen›, sagt man in der Stadt über ihn.»
     
    In der Werkstatt herrschte große Hitze.
    Meister Faber schmolz über einem Feuer riesige Mengen Kupfer, Gold und Silber für das neue Taufbecken. Eva bemühte sich, mit Hilfe eines Zieheisens aus wenig Silber einen langen Draht zu ziehen.
    David war mit der Verschönerung eines Steckkammes beschäftigt. Zuvor hatte der Kammmacher die Wölbung eines Frauenkopfes ins Horn gebogen, danach jeden Zahn einzeln ausgesägt, den Kamm mit einer Paste aus Hirschöl und Kreide geglättet und poliert, und nun lag er vor David, damit er ihn in Silber einfasste und mit Verzierungen versah.
    Als es zu Mittag läutete, gingen Meister Faber und Heinrich hinüber ins Haus und ließen sich am großen Küchentisch nieder, während Bärbe ihnen die Schüsseln mit dampfender Suppe füllte.
    Eva aber blieb in der Werkstatt. Sie wollte zuerst mit ihrer Arbeit fertig werden, bevor sie ihr Mittagessen zu sich nahm.
    David saß ihr gegenüber und tat, als hätte er nicht bemerkt, dass die beiden anderen Männer gegangen waren.
    Er fuhr mit dem Stichel über den Kamm, sodass sich ein Silberspan wie ein Wurm vor dem Metall ringelte. Plötzlich rutschte er ab, ein winziges Silberteilchen flog durch die Luft und direkt in Evas Auge.
    Sofort kniff sie die Lider zusammen, rieb und wischte daran herum.
    David sprang auf, lief um den Tisch herum.
    «Lasst mich sehen», sagte er. «Wir müssen den Splitter vorsichtig entfernen.»
    Stöhnend öffnete Eva das rechte Auge, David hielt es mit zwei Fingern offen. In der anderen Hand hatte er ein Tuch und wischte vorsichtig an Evas Auge herum.
    «Jetzt habe ich ihn», sagte er.
    «Danke», erwiderte Eva und konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen aus den Augen quollen und über die Wangen liefen.
    Sie hob die Hand, um sie abzuwischen, als sie den Gesellen plötzlich sagen hörte:«Lasst sie laufen.»
    Eva sah auf. «Wie bitte? Was sagt Ihr da?»
    «Ich möchte Euch weinen sehen. Und Eure Tränen in Silber gießen. Ein Glockenspiel aus Euren gefrorenen Tränen möchte ich schaffen.»
    Eva traute ihren Ohren nicht. Sie suchte in Davids Gesicht ein Zeichen dafür, dass sie diese Worte nur geträumt hatte. Doch er sah sie an mit einem Blick, den sie noch niemals an ihm gesehen hatte. Ein leiser Schauer jagte über ihren Rücken.
    Sie stand auf und räumte auf dem Tisch herum. Der Draht, der aus dem Zieheisen kam, brach. Eva warf ihn weg und musste plötzlich an sich halten, um nicht wie ein Kind mit dem Fuß aufzustampfen. Der Geselle hatte sie durcheinander gebracht.
    David schwieg.
    «Könnt Ihr nicht zu Tisch gehen?», schrie sie ihn an und fegte unbeherrscht ein Werkzeug vom Tisch. «Geht! Geht rüber in die Küche und esst Euer Mahl.»
    David sah kurz verwirrt aus. Doch seine Züge strafften sich sofort, nahmen einen hochmütigen Ausdruck an. «Wie Ihr wollt», erwiderte er. Dann schüttelte er leicht den Kopf und fügte hinzu: «Das Tier in Euch lauert dichter unter der Oberfläche, als ich gedacht hatte.»
    Kaum war er weg, schloss Eva die Augen und atmete tief ein und aus. Sie musste sich mit beiden Händen am Tisch festhalten. Ihre Knie waren plötzlich weich, ohne dass sie wusste, warum.
    Dann aber warf sie den Kopf nach hinten, reckte den Hals und ging mit energischen Schritten zum Mittagstisch.
    Schon von draußen hörte sie Susannes Lachen. Schrill klang es in ihren Ohren. Sie riss die Tür mit einem solchen Schwung auf, dass die Gespräche am Tisch verstummten und alle

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