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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ließ sich an die breite Brust des Mannes fallen, von dem sie wusste, dass er sie behüten und beschützen konnte.
    Eine Weile standen sie schweigend. Schließlich fragte Mattstedt: «Wer ist dieser David eigentlich? Wo kommt er her? Welche Referenzen hat er?»
    «Er hat die beiden Stücke und die Dinge, die er bisher für uns gearbeitet hat. Reicht das nicht?»
    Mattstedt drehte Eva zu sich um: «Eva, wir haben eine Werkstatt. Ein Geschäft. Einen Ruf. Wir können niemanden einstellen, der außer ein paar Arbeiten von geringem Wert und zwei Silbersachen, von denen wir nicht einmal mit Sicherheit wissen, woher sie stammen und wo sie gearbeitet worden sind, nichts vorzuweisen hat. Welcher Abkunft ist er? Wir müssen auch der Zunft Rechenschaft ablegen.»
    Eva machte sich von Mattstedt los.
    «Die Zunft! Denen ist es sicher gleichgültig, woher ein Geselle stammt. Für sie gilt: Ein schlechter Geselle ist immer noch besser als die beste Gesellin.»
    Sie war in Fahrt gekommen: «Bei den Fraternitätstreffen sprichst du von gleichem Recht für alle. Abstammung und Herkunft sollen keine Bedeutung mehr haben. Der Mensch und sein Können sind die Dinge, die zählen. So redest du, wenn Johann von Schleußig am Tische sitzt. Und hier?»
    «Eva, hier geht es nicht um Philosophie. Hier geht es ums Geschäft. Ich will Ordnung haben in diesen Dingen. Und die Ordnung bestimme nicht ich. Die Zunft schreibt sie vor, das weißt du genau.»
    Eva sah Mattstedt mit funkelnden Augen an. «Hört deine Gesinnung bei der Geldkatze auf?»
    Mattstedt seufzte. Er ging zu ihr, griff wieder nach ihren Händen. «Eva, höre mir doch zu. Die Zunft hat Regeln. Du kennst sie ebenso gut wie ich. Niemandem nützt es, wenn wir dagegen verstoßen. Es ist mir gleich, wo der neue Geselle herkommt. Aber ich möchte es gern wissen. Er kann meinetwegen der Sohn eines Abdeckers sein, ein Schlitzohr zum Vater haben oder eine Dirne zur Mutter. Ich werde ihn deshalb nicht schlechter sehen als vorher. Aber ich möchte es wissen, Eva.»
    Er sah sie an und wartete auf eine Antwort. Eva wich seinem Blick aus. Sie wusste, dass Mattstedt es gut meinte, und wollte sich nicht mit ihm streiten. Nach einer kleinen Weile sagte sie leise: «Ich habe dir Unrecht getan, nicht wahr?»
    Mattstedt schüttelte den Kopf. «Nein, das hast du nicht.»
    Dann küsste er sie auf die Lippen, und wieder war Eva überrascht über die Zartheit seines Mundes, über die Sanftheit seiner Berührung.
    «Wir sollten ihn mitnehmen zur Fraternität», sagte sie, als ihre Lippen wieder ihr gehörten. «Er ist klug, weiß mehr, als ein Gold- und Silberschmied gemeinhin wissen muss. Er würde gut dorthin passen, und du, Andreas, hättest Gelegenheit, dir ein eigenes Bild zu verschaffen.»
    Mattstedt zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. «Warum liegt dir so viel an diesem Mann? Er ist doch nur ein einfacher Geselle, gehört zu einer anderen Schicht, kennt nur ein Leben, das ganz anders ist als das unsrige.»
    «Ja und nein», erwiderte Eva. «Ein Geselle ist er wohl, doch einfach sicher nicht. Vertraue meinem Urteil, Andreas.»
     
    Wenige Tage später erhielt Eva Besuch von der Frau des Theologieprofessors. Ute Lechnerin war ein paar Jahre älter als Eva und hatte bereits zwei Kinder.
    «Es ist schön, Euch in Leipzig zu wissen, Kopperin», sagte sie und betrachtete die Tafelstube mit Wohlgefallen. Sie schlenderte zu einem offenen Schrank, in dem Eva ihre Bücher untergebracht hatte.
    «Ihr lest viel, nicht wahr?», fragte die Lechnerin und fügte schnell hinzu: «Lasst uns einander du sagen und mit dem Vornamen ansprechen. Das Lesen verbindet uns. Es gibt hier nur wenige Frauen, die mächtig und willens sind, ihre Zeit mit Büchern zu verbringen.»
    «Gern», stimmte Eva zu und lachte froh. «Ich hatte schon befürchtet, auch in Leipzig niemals eine Freundin zu finden.»
    Ute blieb ernst. «Die neue Zeit kann nicht allein von Männern gestaltet werden», sagte sie. «Sonst geraten wir Frauen wieder ins Hintertreffen. Ich habe erst von meinem Mann das Lesen gelernt. Meine Erziehung habe ich in einem Kloster genossen. Die Nonnen hielten uns von den Schriften fern, als säße der Teufel darin. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, warum das so ist.»
    «Weil mit den Büchern die eigenen Gedanken kommen, nicht wahr? Wer liest, glaubt nicht mehr alles, was er hört», vervollständigte Eva die Gedanken der Freundin.
    «Ja», bestätigte Ute. «Und wer eigene Gedanken hat, kann nicht mehr

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