Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
nahe.»
    Johann von Schleußig hob die Hand: «Ihr seid zwar ein Eiferer, David, doch sind Eure Worte sicherlich wohl überlegt. Der Mensch muss nach Vollkommenheit streben. Wie aber wollt Ihr beweisen, was Ihr sagt? Wie wollt Ihr beweisen, dass zum Beispiel ein Abdecker ein ebenso guter Ratsherr sein könnte wie unser Andreas Mattstedt?»
    Bei diesen Worten Johann von Schleußigs stand Mattstedt auf und forderte David stumm heraus. Sie kreuzten ihre Blicke wie Schwerter.
    Eva beobachtete die beiden Männer. Bevor einer der beiden das Wort ergriff, stand sie auf. Sofort wandten sich alle ihr zu.
    «Ich werde es beweisen», sagte sie und atmete tief durch. «Ich werde beweisen, dass der Mensch sich seinen Platz selbst suchen kann.»
    Mattstedt lachte, doch es klang nicht fröhlich. Er fasste Eva am Ärmel.
    «Was soll das?», fragte er mit väterlicher Strenge. «Wie willst du das anstellen?»
    «Gleich morgen gehe ich vor die Tore der Stadt und suche mir einen Lehrling von unehrlicher Abkunft. Beweisen werde ich, dass dieser sich ebenso zum Silberschmied eignet wie die Lehrbuben, die einen Silberschmied zum Vater haben», sagte sie mit fester Stimme.
    «Und die Zunft?», fragte Mattstedt. «Sie wird niemals einen Unehrlichen zulassen. Möglich wäre es sogar, dass sie dich aus der Zunft ausschließen.»
    Eva zuckte mit den Achseln und lächelte. «Es gibt zu wenige Gold- und Silberschmiede in der Stadt. Jede Hand wird gebraucht. Schon so mancher Gulden in der Zunftlade hat Unmögliches möglich gemacht.»
    Sie sah in die Runde, doch erst als Ute Beifall klatschte und David einstimmte, atmete sie auf.
    «Ihr könnt auf mich zählen», versprach die Begine Hildegard. «Wenn Ihr mit einem weiblichen Hauslehrer vorlieb nehmen wollt, so stehe ich gern zur Verfügung.»
    Evas Herzschlag hatte sich noch immer nicht beruhigt, als sich wenig später Johann von Schleußig von ihr verabschiedete. «Ihr seid eine mutige junge Frau», sagte der Geistliche und drückte ihre Hand. «Passt gut auf Euch auf.»
    Eva dankte, froh über seine Unterstützung. Sie sah ihm nach, bis er um die nächste Hausecke verschwunden war. Dann hakte sie sich bei Adam ein und sagte: «Ja, vielleicht werde ich eines Tages tatsächlich eine mutige Frau sein. Aber mein Mut ist von anderer Art als der meiner Mutter.»
    Adam lachte. «Damit aus deinem Mut nicht Tollkühnheit wird, werde ich dich morgen vor die Stadttore begleiten. Es ist gefährlich für eine junge Frau wie dich, dorthin allein zu gehen.»
    Inzwischen waren sie zu Hause angelangt. Adam küsste Eva auf die Stirn, wünschte ihr eine gute Nacht und verschwand noch einmal in seinem Laboratorium.
    Sie wollte gerade die Tür zu ihrem Schlafgemach öffnen, als David plötzlich neben ihr auftauchte. Eva erschrak, denn sie hatte keine Schritte gehört.
    «Ich habe Euch nicht gehört, Geselle», sagte sie und presste eine Hand auf ihr klopfendes Herz. David lachte leise: «Ich wollte Euch nicht erschrecken, nur aufschrecken.»
    «Was meint Ihr?», fragte Eva.
    Er sah sie so lange an, bis Eva schließlich den Blick abwandte.
    «Ihr werdet es bald erfahren», sagte er schließlich. «Doch Ihr wisst ja: Gut Ding will Weile haben.»
    «Gute Nacht, Geselle», sagte Eva und griff nach der Klinke, doch David zog ein kleines Kästchen aus seinem Wams und hielt es Eva hin.
    «Ich wünsche Euch Segen auf allen Wegen», sagte er dazu.
    Eva legte den Kopf ein wenig schief und lächelte. Er hat mich doch nicht vergessen, dachte sie. Ich wusste es.
    Langsam und mit klopfendem Herzen öffnete sie das Kästchen und holte ein silbernes Kettchen mit einem Anhänger daraus hervor.
    «Der Anhänger soll Euch auszeichnen», sagte er, dann drehte er sich um und verschwand, noch bevor Eva ihm danken konnte, in seiner Kammer.
    Eva sah ihm verwundert nach, dann betrachtete sie das Schmuckstück und strich zärtlich darüber. Der Anhänger zeigte ihr Gesicht. Ihre Schönheit war unter Davids Händen sichtbar geworden. Sie lächelte glücklich, dann betrat sie ihr Gemach, entzündete mehrere Lichter und stellte sich vor den Spiegel, um sich die Kette um den Hals zu legen.
    Plötzlich stutzte sie. Der Spiegel offenbarte ihr, dass David seine Initialen in ihr Anhängergesicht gemeißelt hatte. Und jetzt erst verstand Eva den Satz. Indem er seinen Namen in ihr Antlitz geschrieben hatte, hatte er sie ausgezeichnet vor allen anderen Frauen – und gezeichnet für sich.

Kapitel 10
    Der nächste Morgen kam trübselig daher. Die

Weitere Kostenlose Bücher