Die Silberschmiedin (2. Teil)
gleich?»
Eva nickte.
Wenig später kniete sie im Beichtstuhl.
«Vater, ich habe gesündigt.»
Eva sah ihren Beichtvater nur undeutlich. Umso leichter fiel es ihr, sich ihre Nöte von der Seele zu reden.
«Sprich, meine Tochter.»
«Ich soll Andreas Mattstedt heiraten. Die Hochzeit war geplant, ist verschoben worden. Meine Mutter drängt, und auch ich möchte Mattstedt nicht länger im Unklaren lassen.» Sie seufzte. «Ich liebe Mattstedt nicht. Er ist mir teuer wie ein Vater, aber ich liebe ihn nicht, und deshalb kann ich ihn nicht heiraten.»
«Ist das alles, meine Tochter?»
Die Stimme Johann von Schleußigs klang freundlich und warm. Kein Vorwurf schwang mit. «Dass Ihr Mattstedt nicht heiraten wollt, kann Euch die Kirche nicht vergeben. Es ist keine Sünde. Aber bedenkt, meine Tochter, dass er ein Ehrenmann ist. Ihr solltet Eurer Mutter die Entscheidung überlassen, da Ihr ja keinen Vater mehr habt.»
«Ich habe unkeusche Gedanken», bekannte Eva weiter.
«Wart Ihr schon einmal mit einem Mann zusammen?»
«Nein, natürlich nicht.»
«So spreche ich dich los von deinen Sünden. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Betet zehnmal auf den Knien ‹Gegrüßet seist du, Maria›.»
«Danke, Vater», flüsterte Eva und wollte sich erheben.
«Halt, wartet noch. Was sagt Eure Mutter dazu, dass Ihr den Ratsherrn verschmäht?»
«Meine Mutter möchte mich lieber heute als morgen mit Andreas Mattstedt verheiraten. Aber ich liebe ihn nicht.»
«Ihr liebt einen anderen, meine Tochter, nicht wahr?» Diese Frage kam so überraschend, dass Eva keine Zeit hatte, darüber nachzudenken. «Ja», sagte sie und begriff erst später, was sie da gesagt hatte.
«Und den Mann, den Ihr liebt, könnt Ihr nicht heiraten?»
«Nein, wohl nicht.»
«Ist er bereits verheiratet?»
«Nein, auch das nicht. Er … er … er ist von niederem Stande. Ein Habenichts, dessen Abkunft im Dunklen liegt.»
«Ich kann Euch nicht raten, meine Tochter. Vielleicht nur dies: Bedenkt, dass die Liebe kein Ding ist, das kommt und geht, wie es will. Lieben, Eva, ist eine Fähigkeit, die nicht jeder beherrscht, der ein Herz im Leibe hat. Lieben ist eine Tätigkeit, die erlernt und gehütet werden muss. Auch wenn ich ein Mann der Kirche bin, so weiß ich doch, wovon ich spreche. Denkt darüber nach, Eva. Ich werde für Euch beten.»
Gleich darauf hörte Eva, wie Johann von Schleußig den Stuhl verließ und mit eiligen Schritten durch die Kirche hastete.
Sie wartete, bis die Tür zur Sakristei zufiel, dann kam sie ebenfalls aus dem Beichtstuhl und ging zu einer kleinen Seitenkapelle, in der eine hölzerne Statue der Jungfrau Maria stand. Dort kniete sie nieder, bekreuzigte sich und tat die aufgetragene Buße, doch noch immer herrschte in ihrer Brust Aufruhr.
Ich liebe ihn, dachte sie. Doch das ist nicht das Schlimmste. Schlimm ist, dass ich es ausgesprochen habe. Solange man die Dinge nicht in Worte kleidet, gibt es sie nicht. Jetzt ist die Liebe da, und ich kann sie nicht mehr rückgängig machen.
Der 26. März 1496, Evas 21. Geburtstag, fiel auf einen Samstag. In der Nacht hatte es geregnet, doch nun zeigte der Himmel sich frisch gewaschen im strahlenden Blau. Eva stand auf dem Balkon und atmete mit tiefen Zügen die duftende Frühlingsluft ein.
Ich bin großjährig, dachte sie und reckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Ab heute darf ich allein entscheiden, wer ich bin und wer ich sein möchte. Ab heute wird mein Leben so sein, wie ich es haben will, auch wenn ich noch immer unter Vormundschaft stehe. Doch was macht das schon? Alle Frauen stehen schließlich unter Vormundschaft. Und die meisten von ihnen haben sehr viel weniger Rechte als ich.
Sie hatte Lust zu feiern, doch es war nicht Brauch, den Geburtstag in besonderer Art zu begehen. Fest und Geschenke gab es nur zum Namenstag.
Eva beschloss, ihren Geburtstag mit bester Laune zu begrüßen.
Susanne überraschte Eva mit einem Kuchen, Meister Faber brachte der frisch gebackenen Großjährigen ein Frühlingssträußchen, und Heinrich erfreute sie mit einem Stein, der die Kraft haben sollte, bösen Zauber abzuwehren. Adam umarmte sie und überreichte ihr eine Geldkatze aus weichem Ziegenleder.
David aber tat, als wüsste er nicht, was so Besonderes an diesem Samstag sein sollte. Immer wieder huschten Evas Blicke zu ihm, doch den Gesellen schien es nicht im Geringsten zu bekümmern, dass für seine junge Herrin ein neuer Lebensabschnitt begann.
Andreas
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