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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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genannt.»
    «Und sie sind sich wirklich in allem ähnlich?», fragte Adam weiter. «Sie haben zur selben Zeit das Laufen erlernt, haben gemeinsam das erste Wort gesprochen und die Zähne verloren?»
    Der Henker zuckte mit den Achseln. «Ich habe zwölf Kinder und bin der Henker der Stadt. Auch um die Huren muss ich mich kümmern. Die Mädchen gleichen sich wie ein Ei dem anderen, aber ob sie sich in allen Dingen ähnlich sind, vermag ich nicht zu sagen.»
    Adam wandte sich an die Kinder. «Habt ihr häufig dieselben Gedanken oder denkt die eine das, was die andere nicht zu denken wagt? Sind eure Seelenhälften identisch oder unterschiedlich?»
    Die Mädchen starrten Adam an. Noch nie hatte ihnen jemand solche Fragen gestellt, und sie wussten nicht, was sie darauf antworten sollten.
    Adam sah Eva an. Sie nickte, und so unterbreitete er dem Henker ihr Angebot: «Überlasst uns die Zwillinge. Wir nehmen sie mit in die Stadt, und meine Schwester bildet sie zu Silberschmiedinnen aus.»
    Der Henker schüttelte den Kopf. «Mädchen sind dazu da, gute und gehorsame Eheweiber zu sein. Was sollen sie mit einem Beruf?»
    «Nun, Ihr sagtet selbst, dass es schwer wird, sie zu verheiraten. Bis an Euer Lebensende werden sie Euch auf der Tasche liegen.»
    Der Henker kratzte sich am Bart. «Da habt Ihr wohl Recht. Aber wollt Ihr nicht lieber meinen Ältesten? Ein kräftiger Bursche, 14 Jahre alt ist er schon.»
    Adam schüttelte den Kopf: «Die beiden Mädchen wollen wir.»
    «Was gebt Ihr mir dafür?», forderte der Henker.
    Eva lachte. «Nichts. Ich werde sie kleiden und nähren. Sie werden in meinem Haus eine Kammer bewohnen und tags in der Werkstatt arbeiten. Am Sonntag aber können sie Euch besuchen, wann immer sie wollen.»
    Der Henker sah Eva nachdenklich an. «Aber mir fehlen vier Hände im Haus. Wer soll sich um die Kleinen kümmern? Meint Ihr vielleicht, ich könnte eine Kinderfrau halten?»
    «Nein. Aber Ihr könnt kommen und mit eigenen Augen sehen, wie es Euren Mädchen geht. In der Hainstraße wohne ich, Eva Kopper ist mein Name.»
    Der Henker nickte. «Habe schon gehört von Euch. Gebt mir einen halben Gulden für jedes Kind, dann sollen sie mit Euch gehen.»
    Adam und Eva sahen sich an. Schließlich zückte Eva ihre neue Börse, die sie am Gürtel trug, und reichte dem Henker einen halben Gulden.
    «Einen halben Gulden für beide. Dies ist mein letztes Wort. Es wird hier sicher noch mehr Kinder geben, die gern innerhalb der Stadtmauern leben würden.»
    Der Henker seufzte und reichte Eva die Hand. «Lasst uns unser Geschäft mit dem Handschlag besiegeln.»
    Eva zögerte kurz und dachte an das viele Blut, das schon an dieser Hand geklebt hatte, doch dann schlug sie ein. «Gut, Henker, dann sagt den Mädchen, dass wir sie sogleich mitnehmen werden.»
     
    «Mit denen werden wir unseren Spaß haben», sagte Susanne nur. Eva hatte mit heftigem Widerstand gerechnet, doch erstaunlicherweise lächelte Susanne die beiden Mädchen freundlich an. Vielleicht vermisste Susanne ihre eigenen Kinder doch mehr, als sie sich anmerken ließ. Sie hatte ihnen zur besseren Unterscheidung Bänder in die Haare geknüpft. Regina trug ein rotes, Priska ein blaues Band. Und während Regina Susanne sofort mit Fragen überfiel, sah sich Priska scheu um.
    Eva legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter. «Fürchtest du dich?», fragte sie. Priska schüttelte den Kopf und lächelte zaghaft.
    «Nun, unsere Magd Bärbe wird mit euch zusammen eure Kammer einrichten. Unterdessen werde ich mit Susanne auf den Markt gehen und sehen, ob wir für euch ein wenig Kleiderstoff bekommen.»
    «Ich will ein rotes Kleid», rief Regina und sah Eva herausfordernd an. «Ein rotes Kleid mit einem blauen Rand.»
    Eva runzelte die Stirn. «Wir werden sehen, was sich machen lässt.»
    Dann wandte sie sich an Priska. «Und du? Was möchtest du?»
    Priska zuckte mit den Schultern. «Ich habe noch nie ein neues Kleid gehabt. Die alte Lotte hat uns immer die Kleider der älteren Schwestern ausgebessert. Regina und ich mussten immer gleich aussehen. Dann werde ich wohl ebenfalls ein rotes Kleid haben müssen.»
    Adam, der die Zwillinge gespannt beobachtete, mischte sich ein. «Möchtest du das? Möchtest du das gleiche Kleid haben wie Regina?», fragte er Priska. «Findest du es wichtig für die geteilte Seele, dass ihr gleich aussehen müsst?»
    Priska nickte. «Was der Vater im Himmel geteilt hat, müssen wir wieder zusammenfügen. Aber die Hauptsache ist, dass ich

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