Die Silberschmiedin (2. Teil)
nicht darin friere.»
Susanne strich Regina über das Haar. «Wir werden schon einen Stoff finden, der zu euch passt», sagte sie. Dann gab sie Regina einen kleinen Schubs und befahl Bärbe: «Nimm die Mädchen mit und siehe zu, dass sie es wohnlich haben. Sieh im Lagerraum nach, dort findest du alles, was du brauchst.»
Bärbe nahm die beiden Mädchen mit, Susanne und Eva machten sich auf den Weg zum Markt. Meister Faber gesellte sich zu ihnen, um ein paar einfache Werkzeuge für die beiden Lehrmädchen zu erstehen.
Unterwegs fragte Susanne: «Hast du dir das recht überlegt? Zwei Mäuler mehr im Hause machen sich bemerkbar.»
Eva nickte und erwiderte: «Ihr alle sprecht davon, dass ihr euch euren Platz selbst suchen wollt. Ich gebe den Mädchen die Möglichkeit dazu.»
«Gut, aber bedenke dabei, dass ich nicht als Kinderfrau bei dir bin.»
«Du brauchst dich darum nicht zu sorgen. Hildegard wird die Mädchen unterrichten, Ute ihnen die städtische Lebensart beibringen, und Adam möchte herausfinden, wie sehr sich Zwillinge ähneln.» Eva lachte. «Er ist wohl noch immer auf der Suche nach der Seele. Du aber wirst sie alles lehren, was sie über Haushaltsführung wissen müssen.»
«Wenn ich mit ihnen mehr Arbeit habe als ohnehin schon, so wirst du mich dafür bezahlen müssen», stellte Susanne hartnäckig klar.
Eva schüttelte den Kopf und wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als Susanne sie am Arm packte und mit sich zog.
Vor ihnen auf dem Markt schrie eine Frau so entsetzlich, als würde sie abgestochen.
Eva und Susanne drängten sich durch die Menge und erblickten schließlich eine Frau, die heulte und winselte wie ein getretener Hund. Ihr Kleid war vollkommen zerfetzt, dennoch konnte man den gelben Schleier, das Zeichen der Huren, erkennen. Das Gesicht der Frau war zerstört. Brandblasen bedeckten die Haut, an manchen Stellen war das rohe Fleisch zu sehen. Ihre Wimpern und Augenbrauen waren verbrannt, die Augen trübe. Meister Faber stand wie erstarrt. Sein Gesicht war kalkweiß, die Lippen bewegten sich, aber er brachte keinen Ton hervor. Eva strich ihm über den Arm. «Ihr denkt an Eure Frau und die Kinder, nicht wahr, die bei einem Brand in Eurem Haus ums Leben gekommen sind?»
Faber nickte, doch sein Blick war fest auf die verbrannte Frau gerichtet.
Plötzlich kam die Hure auf Eva zu und blieb so dicht vor ihr stehen, dass Eva ihren Atem spüren konnte. «Eine Maske sollte ich werden», zischte sie. «Mein Gesicht hat er verbrannt, der Satan.»
Eva wich erschrocken zurück.
Susanne fasste sich rasch: «Von wem sprichst du?», fragte sie. «Wer wollte eine Maske von dir machen?»
«Der Satan war es», flüsterte die Hure und blickte irre um sich. Sie fasste nach Susannes Haar und zog daran. «Er hatte den Ton schon angerührt. Und dich, Schönchen, wird er auch noch holen.»
«Ein Mann war es, sagst du?», fragte Susanne. «Wo ist dir das geschehen? Hier in der Stadt?
Die Hure schüttelte den Kopf. «Kein Mann, kein Weib. Der Satan war es. Nicht hier, nicht dort. In der Hölle war es.» Sie zeigte mit dem Finger nach Norden, wo das kleine Wäldchen Rosenthal lag.
Eva sah, wie Meister Faber würgen musste. Er zitterte, ein feiner Schweißfilm hatte sich auf seiner Oberlippe gebildet.
Die Frau lachte irre und begann zu tanzen. Zwei Fuhrleute schnalzten mit der Zunge, einer von ihnen streckte die Hand aus, um sie zu packen. Da kreischte sie schrill auf, warf sich auf den Boden und wälzte sich kreischend im Dreck. «Der Satan will mich holen», schrie sie. «Der Satan!»
Sie wies mit dem Finger auf Susanne: «Und dich auch, Liebchen. Er ist dir näher, als du denkst.»
Susanne wich zurück. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe verschwunden. Auch Eva verspürte Übelkeit. Warum bereitete denn niemand dieser schrecklichen Szene ein Ende? Schließlich kamen die Stadtknechte hinzu.
«Steh auf, Weib», brüllte einer von ihnen und versuchte, sie am Arm hochzuziehen. Doch als der Mann sie berührte, brach die Frau in ein solches Geheul aus, dass der Stadtknecht sie auf der Stelle losließ.
«Sie ist verrückt», sagte er zu dem anderen. «Sie muss ins Irrenhaus gebracht werden.»
Der andere nickte, trat an die Frau heran und wollte sie packen, doch das Weib schlug um sich, zerkratzte dem Stadtknecht das Gesicht, trat ihn, wo immer sie traf. Der andere riss nun auch an ihr, doch es gelang ihnen nicht, die Frau zu beruhigen. Im Gegenteil, ihr Gebrüll wurde lauter, weißer Schaum bildete
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