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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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sich um ihren Mund. Plötzlich tauchte Johann von Schleußig neben den Stadtknechten auf. Er nickte den beiden Männern zu und kniete sich neben die Frau in den Dreck. Ganz behutsam, und ohne sie zu berühren, sprach er auf sie ein. Niemand hätte zu sagen vermocht, ob es die Priesterkleidung oder die freundliche Zusprache war, was die Frau schließlich so weit beruhigte, dass sie nur noch leise wimmerte wie ein Kind.
    Johann von Schleußig half ihr auf die Beine, bedeckte ihre Blöße mit seinem Umhang und führte sie davon.
    Die Menge zerstreute sich, nur Eva stand da wie angewurzelt und starrte unentwegt auf den Boden, wo sich die Hure gewälzt hatte. Sie hörte Meister Fabers unterdrücktes Schluchzen neben sich.
    «Hast du gehört?», fragte sie Susanne, und in ihrer Stimme klang Entsetzen. «Sie hat davon gesprochen, dass der Satan sie in eine Maske verwandeln wollte.»
    «Ja, ich habe es gehört. Meinst du, der Mörder der Badedirne von Frankfurt ist nach Leipzig gekommen?»
    Eva zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht, Susanne. Ich weiß es wirklich nicht, aber ich habe Angst.»
     
    In den nächsten Tagen hatte Eva nicht viel Zeit, um über den Vorfall auf dem Marktplatz nachzudenken. Die beiden Mädchen nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
    Hildegard hatte Wort gehalten. Jeden Morgen kam sie und brachte den Zwillingen in der Wohnstube das Lesen und Schreiben bei. Während Priska eifrig die Buchstaben auf einem Stück Schiefer nachschrieb, träumte Regina oft vor sich hin.
    «Warum schreibst du nicht?», fragte Hildegard. «Willst du nichts lernen?»
    Regina sah auf: «Meine Schwester und ich teilen uns eine Seele. Es reicht, wenn sie lesen und schreiben kann.»
    Ute hatte Kleider und Wäsche von ihren Kindern für die Zwillinge gebracht. Oft kam sie nun auch am Nachmittag, um mit den Mädchen Manieren zu üben. Sie zeigte ihnen, wie man eine Serviette benutzte, brachte sie davon ab, sich in die Hand zu schnäuzen, erklärte, wie man das Messer und die Gabel handhabte.
    Hier war es Regina, die durch Eifer hervorstach, während es Priska reichlich Mühe bereitete, beim Essen nicht zu schlingen und das Fingerschälchen zu benutzen.
    Als die Mädchen sich allmählich in der Hainstraße eingelebt hatten, sagte Hildegard zu Eva: «Sie sind zwar Zwillinge, aber sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Regina einfach nur aus der Vorstadt rauswollte und es ihr letztlich gleichgültig ist, auf welche Weise, so ist Priska bemüht zu lernen. So jung sie noch sind, sie beginnen bereits jetzt, sich ihren Platz zu suchen.»
    Eva nickte: «Eigentlich war das ja auch das Ziel. Ich gebe ihnen eine Möglichkeit, und es ist an ihnen, diese zu nutzen. Trotzdem muss ich zugeben, dass mir Priska näher ist als Regina, die wohl eher in Susanne eine Lehrmeisterin gefunden hat.»
    Heinrich und Meister Faber hatten – wie vorauszusehen – Einwände gehabt.
    «Wir schaffen die Arbeit auch ohne die beiden Blagen kaum noch. Sie werden uns im Weg rumstehen und die teuren Metalle mit ihren Fingernägeln verkratzen. Einen kräftigen Lehrbuben hätten wir gut brauchen können. Die beiden aber sind nicht einmal in der Lage, ein heißes Feuer am Brennen zu halten», hatte Heinrich geklagt.
    Doch Eva hatte ihn angelächelt. «Dann sorge dafür, Heinrich, dass sie es lernen.»
    David hatte die beiden interessiert betrachtet und der lebhaften Regina alles erklärt, was sie wissen wollte.
    «Wie viele Gulden kostet ein Ring? Bekommt jede Frau von ihrem Mann zur Hochzeit ein Schmuckstück? Wie zeigt man seine Haarspangen, wenn man als Ehefrau doch eine Haube tragen muss? Was ist wertvoller: Gold oder Silber?»
    Priska hingegen fragte nie etwas. Doch sie stand oft neben Meister Faber und verfolgte jede seiner Bewegungen. Eva war davon überzeugt, dass sie auf diese Weise mehr lernte als die lebhafte Regina, deren Fragen keine Grenzen kannten. So zeigte sie auch auf Evas Kette und fragte: «Wer hat dieses Schmuckstück gefertigt? Habt Ihr es geschenkt bekommen, obwohl Ihr keinen Mann habt? Oder musstet Ihr es Euch selbst fertigen, Silberschmiedin?»
    Eva konnte nicht verhindern, dass ihr die Schamröte ins Gesicht stieg. Auch Meister Faber, Heinrich und die anderen Gesellen sahen sie plötzlich sehr interessiert an.
    «Ich … ich …», stotterte Eva herum. «Ich habe die Kette und den Anhänger zum Geburtstag bekommen.»
    Regina trat einen Schritt näher und tippte ganz vorsichtig gegen das kleine Silberstück. «Es

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