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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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dem Bett, unfähig, sich zu rühren. Sie hasste die Mittel, die David zur Verhütung anwandte. Wie oft schon hatte er ihr den Muttermund mit fein gehacktem Gras oder Steinen verstopft? Wie oft schon hatte er Ringe aus Holz oder Leder in ihren Schoß eingeführt?
    «Bitte, David, wenn du noch kein Kind haben möchtest, dann nimm die Überzüge aus Tierdarm. Bitte. Die Ringe tun so weh!»
    Doch David ließ sich nicht beirren. Er holte die selbst gemachten Pessare aus der Lade, kam zu Eva, schlug den Rock hoch, sodass der Stoff ihr Gesicht verdeckte. Dann spreizte er ihre Schenkel, hantierte an ihrem Schoß. Eva schrie vor Schmerzen auf, als er roh in sie eindrang.
    Als es vorbei war, ging er ohne ein Wort.
     
    Einige Wochen später übernahm David die Leitung der Werkstatt. Meister Faber war gegangen, obwohl Eva versucht hatte, ihn zum Bleiben zu bewegen.
    «Nein, Silberschmiedin, ich gehe. Von der neuen Zeit, die hier in der Werkstatt Einzug gehalten hat, verstehe ich nichts. Ein guter, ehrlicher und gottesfürchtiger Handwerker war ich mein Leben lang. Mit den Sachen aber, die der neue Meister macht, kann ich nichts anfangen.»
    Meister Faber war nicht der Einzige, der so dachte. Die Waren aus ihrer Schmiede verkauften sich nicht. Sie waren aus dem besten und teuersten Material, doch die Leipziger konnten sich wohl mit der Verzierung nicht anfreunden.
    Manchmal schien es Eva, als wolle David die Werkstatt ruinieren. Die Rohstoffe, Werkzeuge und all die anderen Sachen, die in einer Silberschmiede gebraucht wurden, waren im Überfluss und in bester Ausführung vorhanden. Doch die Auftragsbücher leerten sich, während die Regale mit den fertigen Waren überquollen.
    David hatte alle Feuerknechte, den Aufbereiter, den Gesellen fortgeschickt. Nur Heinrich und die beiden Mädchen behielt er.
    Dann beauftragte er Bärbe, die Verkaufsräume zu putzen und zu schmücken. Er verhängte die Wände mit weißen Tüchern, stellte einige ebenfalls mit weißen Tüchern umschlungene Baumstämme und andere Sachen, die als Sockel taugten, in den Verkaufsraum, und verteilte zum Schluss die Gold- und Silberwaren darauf.
    Zufrieden stand er im Raum und schenkte den Menschen, die von draußen zu ihm hereinspähten, keinerlei Beachtung.
    «Was hast du vor?», fragte Eva.
    «Was wohl? Die Messe steht vor der Tür. Fremde werden kommen, die den Geruch der Neuen Zeit mitbringen. Sie werden das Neue an meinen Waren erkennen und sie kaufen, während die tumben Sachsen noch immer das Wort Sünde wie einen fauligen Bissen Fleisch im Munde drehen.»
    Eva nickte. Die Geldlade war leer, die Regale waren voll. Um diesen Zustand umzukehren, mussten die Waren verkauft werden. Dann hätten sie keine Sorgen mehr.
    Als die Messe begann, kam Ute, um sich den Verkaufsraum anzusehen. Sie ließ ihren Blick auch über Eva schweifen. «Dich bedrückt etwas. Willst du mir nicht sagen, was es ist?»
    Eva biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. «Nein, mit mir ist alles in Ordnung. Nur ein Kind hätte ich gerne.»
    «Nicht immer klappt es auf Anhieb. Hab Geduld, Eva. Bald schon wirst du schwanger sein.»
    «Das ist es nicht», widersprach Eva leise. «David möchte kein Kind.»
    «Nicht?» Ute war bestürzt. «Aber warum denn nicht? Liegt ihm nichts an einem Erben?» Eva schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht.»
    Ute sah die Freundin mitleidig an. «Ich würde dir gerne helfen, aber ich muss jetzt gehen. Die Kinder warten auf mich. Und dem Mann ist es auch lieber, dass ich zu Hause bin, wenn er kommt.»
    Eva nickte und verabschiedete Ute an der Haustür.
    Auf der Straße vor dem Haus tummelten sich Kaufleute aus aller Herren Länder. Spanier trugen nicht nur ihre Waren, sondern auch ihr Temperament zu Markte. Venezianerinnen prunkten mit Gewändern im griechischen Stil, die Burgunder erkannte man an den vom guten Wein roten Nasen und die Frankfurter, Nürnberger, Augsburger an den dicken Kontorbüchern, die sie unter dem Arm trugen und so sorgfältig wie Säuglinge hielten. Der Buchdrucker Kachelofen rollte ein mit Pech verschmiertes Fass vorbei, in dem er seine kostbaren Bücher aufbewahrte, und Andreas Mattstedt flanierte in Begleitung zweier Herren in teuren Hermelinschauben vorüber. Auch Jakob Fugger war dabei, vertieft in ein gestenreiches Gespräch mit den beiden fremdländischen Kaufleuten, deren slawische Züge ihre Herkunft verrieten. Vor der Eingangstür hielt Mattstedt kurz an, sah hinein und machte Anstalten, den Laden zu betreten.

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