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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Doch Eva wandte ihm den Rücken zu. Als sie wieder aufsah, war er längst weitergegangen.
    Am liebsten wäre sie auf die Straße gerannt, Mattstedt und Fugger hinterher, hätte sich eingehakt bei einem der Männer und wäre die Hainstraße hinuntergeschlendert und hätte alle Grüße erwidert, die man ihr entbot.
    Es war lange her, dass sie gegrüßt wurde, dass man ihr Respekt und Achtung für ihre Arbeit gezollt hatte.
    Ein Geräusch hinter ihr schreckte sie auf. Es war David, der aus der Werkstatt gekommen war.
    «Und?», fragte er und sah sich im Verkaufsraum um. «Wie viele Stücke hast du verkauft?»
    Eva zeigte auf die Sockel, die allesamt noch voll gestellt waren. «Sieh selbst!»
    David blickte sich um und wurde rot vor Zorn. «Es muss an dir liegen, dass das Zeug niemand haben will», bellte er. «In der ganzen Stadt werden Silberwaren angeboten, die nicht weniger Nackte zeigen als meine Sachen. Die Italiener haben Aquamanilen mitgebracht, auf denen sich die Götter der Griechen in aller Blöße tummeln. Bacchantinnen und Satyrn prunken auf Schalen und Gefäßen. Der Gott Amor schießt seine Pfeile von den Schmuckstücken am Halse der schönsten Damen ab. Nur hier, nur bei uns kauft niemand. Kannst du mir das erklären?»
    Eva schüttelte den Kopf und schluckte die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, herunter. Sie war ja selbst Silberschmiedin, wusste, dass die Waren der Italiener eine bestimmte Leichtigkeit ausdrückten, eine ätherische Schönheit, die Davids Sachen fehlte. Obwohl er ein Meister seines Faches war, ging von all seinen Stücken etwas Dunkles und Bedrohliches aus. Die Nackten auf seinen Silberwaren hatten etwas Animalisches an sich. Nein, so etwas wollte niemand im Hause haben.
    Eva spürte das alles, doch sie wusste, dass David es nicht verstehen würde.
    Stattdessen sagte sie: «Fugger und Mattstedt sind eben vorübergegangen», sagte sie. «Es hatte den Anschein, als wollten sie hereinkommen. Zwei Messfremde waren bei ihnen. Sie waren ins Gespräch vertieft. Womöglich statten sie uns auf dem Rückweg einen Besuch ab.»
    In Davids Augen funkelte es. «Fugger und Mattstedt?», fragte er nachdenklich.
    «Steh auf, steh schon auf», forderte er wenige Augenblicke später.
    «Warum?»
    «Ich will, dass du dich in die Tür stellst. Nimm einen Pokal oder was immer du willst. Wenn Fugger vorbeikommt, so biete ihm den Pokal als Geschenk an. Gefällt er nicht, gut, so soll er sich etwas anderes aussuchen.»
    Eva zögerte. Wenn sie tat, was David verlangte, kam dies einer Bankrotterklärung gleich. Dann war offensichtlich, was alle anderen längst vermuteten: Die Silberschmiede war am Ende.
    Doch was sollte sie sonst tun? Es gab wohl keine andere Möglichkeit, um sich ins Gespräch zu bringen. Schlimmer, als es jetzt war, konnte es nicht mehr werden.
    Sie stand auf, nahm eine Mantelschließe, die ihr von allen Sachen am gelungensten erschien. Ein Zentaur war darauf abgebildet, dessen Maul gleichzeitig den Verschluss bildete. Das Geschlecht ragte groß zwischen den Hinterbeinen hervor, doch wenn man nur flüchtig hinschaute, dann sah man das Obszöne daran nicht.
    «Gut, ich werde es versuchen», sagte Eva, hüllte die Schließe behutsam in ein Läppchen aus Samt und stellte sich in die offene Tür.
    Sie fühlte sich ein wenig wie eine der Frauen, die während der Messe in den Torbögen warteten und einen gelben Schal an der Kleidung trugen. Statt des Hurenzeichens hatte sie eine Mantelschließe in der Hand.
    Nach einer halben Stunde, die ihr unendlich lang vorkam, tauchten Mattstedt und Fugger mit den beiden Messfremden wieder auf.
    Eva brach der Schweiß aus, doch sie konnte Davids Blicke in ihrem Rücken spüren.
    «Ah, die Tochter der Pelzhändlerin. Gott zum Gruße», sagte Fugger, als sie zu ihm trat.
    Unter seinem Blick fühlte sich Eva noch unbehaglicher. «Wie geht es Euch?», fragte der Augsburger Kaufmann.
    «Ich habe alles, was ich mir je gewünscht habe», antwortete Eva und zwang sich ein Lächeln ins Gesicht.
    Sie begrüßte die Messfremden, denen das Erstaunen über eine Frau, die wie eine Nonne gekleidet war und den großen Jakob Fugger anzusprechen wagte, anzumerken war. Für Mattstedt aber hatte sie nur ein kurzes Nicken übrig.
    «Ich habe ein Geschenk für Euch», sagte Eva steif zu Fugger und reichte ihm die Schließe.
    Neugierig schlug er das Läppchen zurück und betrachtete das Schmuckstück.
    «Von dieser Art sind also die Dinge, die der Eure macht», sagte er. Sein Gesicht

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