Die Silberschmiedin (2. Teil)
Kleidern.
«Nun, wie gefalle ich dir?», fragte sie und drehte sich vor Eva. «Steht es mir nicht gut, dieses Kleid? Passt es nicht, als wäre es für mich gemacht?»
Eva schluckte, dann sagte sie tapfer: «Ja, Susanne. Dieses Kleid passt zu der Frau, die du immer sein wolltest.»
Als Eva am Mittag über den Markt ging, traf sie Andreas Mattstedt. Zum ersten Mal seit vielen Monaten erwiderte sie seinen Gruß.
Kapitel 16
Das Jahr 1500 begann, ohne dass das auf Flugblättern verkündete und von der Kanzel gepredigte Weltenende als Strafe für die sündige Menschheit eintraf.
Dafür breitete sich die Franzosenkrankheit in Leipzig aus. Sogar einen Professor der Universität hatte sie geholt. Somit hatten die Priester einen neuen Beleg für die Sündhaftigkeit der Welt und insbesondere des triebhaften Weibes. Die Leute strömten nach jeder Predigt in Scharen zu den Ablassverkäufern.
Im April dann schienen sich die Worte der Geistlichen zu bewahrheiten. Zum großen Entsetzen der Leipziger zeigte sich ein Komet über der Stadt.
War das Weltenende nur verschoben?
Oder war der Komet ein von Gott gesandter Vorbote des Todes von Herzog Albrecht, der am 11. 9. mittags um 11 Uhr starb?
Die Leiche des 58-jährigen Herrschers wurde knapp vier Wochen später mit großem Pomp nach Leipzig gebracht und von dort weiter nach Meißen überführt.
Auch David und Eva waren bei dem Spektakel zugegen. Eva wäre lieber zu Hause geblieben, doch David hatte ihr befohlen, ihn zu begleiten.
«Willst du dich verstecken?», hatte er gefragt. «Die Leute sollen sehen, dass wir nichts zu verbergen haben. Du kommst mit und wirst jedem zulächeln, der dir begegnet.»
Das hätte Eva gern getan, doch es gab niemanden, der sie ansah. Die Leute wichen ihrem Blick aus. Nicht ein einziger Gruß wurde ihnen entboten. Fast schien es ihr, als bildeten sich überall dort, wo sie gingen, Gassen.
So wie für den Herzog, der tot in seinem Sarge lag.
Sind wir auch tot?, fragte sich Eva. Sie wäre am liebsten davongelaufen, als sie Mattstedt sah. Doch David zerrte sie weiter. «Grüß Gott, Eva. Grüß Euch Gott, Silberschmied», sagte Mattstedt, als sie auf gleicher Höhe waren. Er lüpfte sogar sein Barett und lächelte Eva zu.
Ein paar Handwerker, die vorübergingen, grüßten nun ebenfalls, doch Eva wusste, dass sie das nur taten, weil der Ratsherr in der Nähe war.
Herzog Georg, der Bruder Albrechts, regierte nun allein und verfügte, dass zum Ende des Jahres in Leipzig Goldgulden mit Stadtwappen und Jahreszahl geprägt werden sollten.
Die Werkstatt in der Hainstraße ging bei der Auftragsvergabe leer aus. So wie meist in den letzten beiden Jahren.
David mochte ein guter Silberschmied sein, ein guter Geschäftsmann war er nicht. Gleichgültig schien es ihm zu sein, dass die Waren, die er fertigte, nur selten verkauft wurden. Auch hatte er kein Verständnis dafür, dass man sich mit der Innung, die dafür sorgen sollte, dass alle Aufträge gleichmäßig auf die Werkstätten verteilt wurden, gut stellen musste. Seit Mattstedt sich zurückgezogen hatte, wurde die Silberschmiede in der Hainstraße immer öfter übergangen, und David hatte nichts dagegen getan.
Dazu kam, dass David zu viel Geld ausgab. Nur die besten Rohstoffe und die teuersten Steine waren ihm gut genug. Als das Geld immer knapper wurde, fasste Eva sich ein Herz und versuchte ihn auf diesen Missstand hinzuweisen.
«Willst du mir vorschreiben, wie ich zu arbeiten habe?», war seine einzige Reaktion. Dann wandte er sich wieder einem Aquamanile zu, das niemand bestellt hatte, und versah es mit einer Badeszene. Eva ließ er mit ihren Sorgen allein.
Sie hatten sogar die Erträge der Annaberger Kuxen aufgebraucht. Es war nicht möglich, weiteres Silber aus dem Erzgebirge nach Leipzig zu holen. Ohnehin genügte die Qualität Davids Ansprüchen nicht. Silber aus den Ostländern wollte er. Mit dem Kupfer war es nicht anders. Wollte Eva etwas von dem Mansfeldischen kaufen, so weigerte sich David, dieses zu verarbeiten, und bestellte über die Fugger-Faktorei Kupfer aus dem Ungarischen.
Doch nicht nur in der Werkstatt hatte Eva nichts mehr zu sagen. Sie hatte auch die Macht der Hausfrau eingebüßt. Susanne führte sich als Meisterin auf. Sie brachte auf den Tisch, was immer sie mochte. Die Wäsche wurde gewaschen, wann Susanne es befahl, um neue Kleider wandte sie sich nicht an Eva, sondern an David, der in dieser Beziehung ebenso großzügig war wie beim Einkauf von
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