Die Silberschmiedin (2. Teil)
dass viele Männerhände dich berühren. Der Innung schenke ich diese Pokale. Der Fleischer- und Schlächterinnung.»
Eva erwachte aus ihrer Erstarrung, lief in ihr Zimmer und verlor das Bewusstsein.
Sie wusste nicht, wie spät es war, als sie wieder zu sich kam. Doch sie wollte die Augen nicht öffnen. Sie hatte Angst zu sehen und vor allem, gesehen zu werden.
Vorsichtig bewegte sie sich.
«Meisterin? Seid Ihr wach?»
Es war Priska. Eva schlug die Augen auf. Vor Priska hatte sie keine Scham. Obwohl die Kleine erst 16 Jahre alt war, hatte Eva den Eindruck, dass sie sie verstand. So, als hätte Priska die Weisheit einer alten Frau.
«Euer Bruder Adam hat nach Euch gefragt», sagte sie.
Eva nickte. «Das ist gut. Kannst du ihn holen? Er soll zu mir in die Kammer kommen.»
«Könnt Ihr noch ein wenig warten, Meisterin? Der Meister wird gleich zurück in die Werkstatt gehen. Es ist besser, wenn ich den Medicus Adam erst dann zu Euch rufe.»
Eva nickte dankbar und streichelte Priska die Hand. Für einen kurzen Moment schmiegte sich die warme Haut des Lehrmädchens an Evas. Es war tröstlich.
Eine halbe Stunde später erschien Adam.
«Wie geht es dir? Was ist geschehen? Bist du etwa guter Hoffnung?», fragte er.
Eva schüttelte den Kopf. «Nein, ich bekomme kein Kind.»
Sie bat Adam, sich neben sie zu setzen, und dann berichtete sie ihm, ohne ihn anzublicken, was David getan hatte.
Als sie fertig war, sprang Adam vom Bett auf und lief im Raum auf und ab. Vor der Anrichte blieb er stehen und hieb seine Faust darauf, sodass der Kandelaber wackelte.
«Ich werde nicht zulassen, dass diese Pokale in die Öffentlichkeit gelangen. Und wenn ich sie eigenhändig einschmelzen muss. Kein Gran nehme ich ihm von seinem Besitz, doch die Würde meiner Schwester werde ich wahren.» Mit diesen Worten lief er aus dem Zimmer.
Eva hatte Angst um ihn. Trotz ihrer Schwäche stieg sie aus dem Bett, atmete tief ein und eilte dann Adam hinterher.
Im Hof bot sich ihr ein denkwürdiger Anblick. Heinrich trat von einem Bein auf das andere. Priska und Regina hielten sich an den Händen, und Susanne hatte das Küchenfenster weit geöffnet und lehnte darin, um der Auseinandersetzung in der Werkstatt zu folgen.
«Eva ist mein Weib und mir untertan. Was ich mit ihr mache, ist allein meine Sache», brüllte David.
Und Adam schrie zurück: «Ich werde verhindern, dass du meine Schwester demütigst.»
«Ha! Und wie willst du das anstellen?»
Plötzlich wurden die Stimmen leiser. Doch Evas Gehör war so gut, dass sie trotzdem jedes einzelne Wort verstand.
«Du bist nicht der, der du zu sein vorgibst, David. An dir ist alles falsch. Und du verbirgst etwas. Ich werde herausfinden, was es ist. Die Stadt Halle liegt nur einen Tagesritt entfernt.»
«Und du, Adam Kopper, hast ebenfalls so einiges zu verbergen.»
An dieser Stelle brach das Gespräch ab, die Tür flog auf, und Adam stürmte hinaus.
Eva sah Heinrich an, und als er nickte, sagte sie laut: «Das Spektakel ist vorbei. Wir sollten nun alle wieder an unsere Arbeiten gehen.»
Sie scheuchte die beiden Mädchen in die Werkstatt, schlug Susanne das Küchenfenster vor der Nase zu und ging zurück ins Haus.
Sie sah gerade noch, wie Adam das Haus verließ.
Gleich darauf schlüpfte auch David aus der Tür. Neugierig lief Eva ans Fenster. Was hatte David vor? Sie spähte hinaus und erschrak. David folgte Adam im Schutz der Häuser. Eva warf sich einen Umhang über und eilte hinaus.
Adam hastete, gefolgt von David, durch einen unbewachten und unverschlossenen Seitenausgang des Rahnstädter Tores aus der Stadt und schlug den Weg zum Rosenthal ein, dem kleinen Wäldchen unweit der Stadtmauer.
Sie bemerkten Eva nicht, die ihnen hinterherschlich. Als Adam in einen kleinen Seitenweg abbog und an eine Holzhütte klopfte, versteckte sich Eva hinter einem Baum. Ein junger Mann in der Kutte eines Geistlichen öffnete die Tür. Das war ungewöhnlich genug, doch dass der Mann Adam zur Begrüßung um den Hals fiel und seine Lippen fordernd auf den Mund ihres Bruders legte, war nicht nur ungewöhnlich, sondern schlicht unbegreiflich.
Sie schloss die Augen und flüsterte leise ein Gebet vor sich hin. Doch das half alles nichts. Als sie die Augen wieder öffnete, verschwanden die beiden Männer eng umschlungen in das Innere der Hütte, und David stand gebeugt unter dem Fenster und spähte hinein.
Eva legte beide Hände auf die raue Rinde des Baumes, um sich zu beruhigen. Ihr Herz raste. Was
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