Die Silberschmiedin (2. Teil)
Edelmetallen.
Eva hatte keine Lust mehr, sich ewig mit Susanne auseinander zu setzen. Sie hatte aufgehört, sich zu beklagen. Stattdessen versuchte sie, ihr aus dem Weg zu gehen.
Sie hatte ja Davids Liebe. Obwohl – so sicher war sie sich da nicht mehr. Schon lange hatte er nicht mehr ihr Lager geteilt. Habe ich ihn verloren?, fragte sie sich und erschrak. Sie hatte doch nur noch ihn.
Eines Abends im Winter nahm sie, als sie zu Bett gegangen waren, ihren Mut zusammen und drängte ihren Körper an den seinen. Ihre Hand glitt über seinen Leib, ihr Mund bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
David hielt ihre Hand fest, drehte das Gesicht zur Seite. «Ich bin müde», wies er sie ab.
«Warum weichst du mir aus?», fragte Eva. «Ich will endlich ein Kind von dir.»
David stand auf und entzündete die kleine Öllampe und mehrere Leuchterkerzen.
«Es ist nicht die Zeit für ein Kind», sagte er mürrisch.
«Warum nicht?», fragte sie. «Was muss noch passieren, bis die richtige Zeit gekommen ist?»
David antwortete nicht. Er richtete sich auf. Das Licht fiel auf seine Schamgegend und auf die zahlreichen roten Flecken, die dort entstanden waren. Einige waren so groß, dass sie wie Geschwüre aussahen. Eva erschrak und drehte sich auf die andere Seite.
Kurz darauf stieg auch David ins Bett. Stumm lagen sie da, mit den Rücken zueinander.
Wenige Tage später brach David zu einer Reise ins Erzgebirge auf, um Silber zu beschaffen. Eva hatte nicht gefragt, wie er das bewerkstelligen wolle, sie war froh, ein paar Tage für sich zu sein.
Denn nur, wenn David weg war, wagte sie es, das schwarze Tuch zu entfernen. In Davids Augen, die ihr Spiegel sein sollten, erkannte sie sich schon lange nicht mehr. Nur Teile von sich sah sie darin, als wäre sie für David überhaupt keine Person, sondern bestünde nur noch aus Einzelteilen.
Manchmal dachte Eva an die Zeit vor ihrer Hochzeit zurück. Der Spiegel hatte sie verdoppelt, hatte sie kostbar gemacht. Damals hatte es sie zweimal gegeben. Sie war im Überfluss verhanden und hatte nur darauf gewartet, sich zu verschenken.
Jetzt war das anders. Jetzt hatte sie nichts mehr, was verschenkt werden konnte. Alles gehörte David bereits, alles trug sein Zeichen. Auch ihre Haut.
Doch nicht heute Abend, sagte sich Eva entschlossen und schob alle trüben Gedanken und Sorgen zur Seite.
Heute Abend würde sie mit Andreas Mattstedt zu einem Ball im Rathaus gehen. Sie hatte zwar Furcht davor, sich den Leuten, die sie nicht mehr grüßten, zu zeigen. Doch sie wusste, dass nur ihre Präsenz dieses Verhalten ändern konnte.
Eva hatte das schwarze Tuch vom Spiegel genommen und das grüne Kleid angezogen. Es passte ihr noch, doch der Stoff fiel loser als vor wenigen Jahren.
Sie drehte sich vor dem Spiegel, zupfte den Gürtel zurecht und hätte gern etwas von der roten Paste gehabt, um sich damit die Lippen und die Wangen zu schminken, doch sie besaß keine solche Paste mehr.
Der Abendwind drang durch das geöffnete Fenster ein und fuhr über ihren Ausschnitt. Eva erschauerte. Sonst trug sie ja immer die hochgeschlossenen Gewänder. Sie lächelte, als sie merkte, dass ihre Brustwarzen durch die Kühle fest wurden.
Gern hätte sie auch eine Kette gehabt, um ihren Ausschnitt damit zu schmücken, doch ihren Schmuck hatte sie verkauft.
Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie sich eine Kette aus der Werkstatt «borgen» sollte, doch die von David gefertigten Schmuckstücke waren für einen Ball der Ratsherren nicht geeignet.
Sie betrachtete sich noch einmal im Spiegel und fühlte sich plötzlich so leicht und fröhlich wie schon lange nicht mehr.
Heinrich würde dafür sorgen, dass sie unbemerkt aus dem Hause kam. Er war so froh gewesen, als Eva ihn in ihr kleines Geheimnis eingeweiht hatte. «Geht, Eva, amüsiert Euch. Ihr lacht viel zu selten. Eine junge Frau wie Ihr braucht Feste und schöne Kleider. Überlasst Regina und Susanne nur mir. Wenn der Ratsherr Mattstedt kommt, so könnt Ihr unbesorgt zur Haustür hinausspazieren.»
Eva hörte Schritte auf dem Pflaster vor dem Haus. Gleich darauf wurde der Türklopfer betätigt.
Sie drehte sich noch einmal um sich selbst, betrachtete hingerissen den Schwung des Kleides, dann eilte sie hinaus.
Mattstedt reichte ihr den Arm und half ihr in die Kutsche, mit der sie den kurzen Weg bis zum Rathaus fuhren.
Gemurmel entstand unter den Gästen, als Mattstedt mit Eva am Arm den Festsaal des Rathauses betrat.
«Die Silberschmiedin ohne ihren
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