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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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erkennen.
     
    Dunkelheit und Kühle empfingen ihn, als er in die weiten Labyrinthe der unter der Nordwestdomäne befindlichen Katakomben hinabstieg. Sie waren uralt, und manchmal erkannte Tajima im trüben Schein der Lumineszenzpilze verwitterte Schriftzeichen an den Mauern. Er verstand sie nicht, und er wußte auch nicht, wer sie in die Ziegel gemeißelt hatte. Tiefer hinab ging es, und der muffige Geruch verstärkte sich bald.
    »Hallo?« Die eigene Stimme hallte dumpf von den Wänden wider. Es war eine unwirkliche Szenerie.
    Weit vor ihm war ein blasser Lichtfunke. Er schritt darauf zu. Und hinter ihm ertönte plötzlich eine harte Stimme:
    »Wer bist du?«
    Tajima blieb wie angewurzelt stehen. Ein Nachtschatten vielleicht, oder einer der Dunkeldämonen. Möglicherweise bewaffnet. Vorsicht war geboten.
    »Mein Name ist Tajima Nimrod.«
    Seufzen. Ein kratzendes Geräusch, und kurz darauf intensivierte sich der Lichtschein, als eine Talgfackel zu brennen begann. Die Dämpfe zogen durch winzige Schlitze in der Decke ab.
    Tajima drehte sich langsam um. »Bist du die, die ich hier finden soll?«
    »Du suchst den Tod, nicht wahr?«
    »Tod und neues Leben.«
    »Dann bist du hier richtig.« Das Licht bewegte sich und klebte schließlich an der Wand. Eine Gestalt löste sich aus einer Nische. Eine Frau. Tajima hob die Augenbrauen.
    »Du bist eine Außenweltlerin, nicht wahr?«
    Sie antwortete nicht sofort, sondern nahm seinen Arm und führte ihn den Gang entlang in einen Raum, in dem mehrere Decken ausgebreitet lagen. Essensreste bewiesen, daß sich die Frau hier schon länger aufhielt. Sie ließ sich auf einer der Decken nieder, musterte ihn eine Weile.
    »Setz dich, Soldat.«
    »Kannst du mir helfen?« Die Zweifel in seiner Stimme waren unüberhörbar. Er blieb stehen.
    Sie lachte kurz. Ein sympathisches, reines Lachen. Aber auch mit einer Spur Melancholie durchsetzt. »Ja, ich kann dir helfen, Soldat. Jetzt setz dich.« Zögernd kam er ihrer Aufforderung nach. Sie war schön, unglaublich schön. Das Gesicht eines Engels, klar und rein, so fragil wirkend wie eine Kristallblume. Das lange, silberne Haar war wie ein Wolke, die um ihren Kopf schwebte, die ebenfalls silberfarbenen Augenbrauen zwei geschwungene Dunstschleier. Ihre Haut war von einer ockerfarbenen Tönung, in die sich manchmal ein sanfter Blauschimmer mischte. Ihr Blick war … tief, wissend, mitfühlend. Und ihre Augen wiesen sie sofort als Außenweltlerin aus. Kein Leseitisgeborener hatte grüne Pupillen, die von roten Sternen umgeben waren. Tajimas Atem beschleunigte sich, als er sie ansah. Niemals zuvor hatte er eine Frau gesehen, die ihn so sehr beeindruckte.
    »Ich bin Rovaria Louca«, sagte sie, und ihre Stimme war wie eine zärtliche Berührung. »Ich habe hier auf dich gewartet. Und … ja, ich bin eine Außenweltlerin. Es hätte wohl keinen Zweck, das zu leugnen.«
    »Nein.« Er schluckte. »Woher kommst du?«
    »Eine Antwort auf diese Frage wäre sinnlos. Du würdest sie nicht verstehen. Eine Laune des Schicksals hat mich hierher nach Leseitis verschlagen. Ich habe Sudmar gesehen. Und ich …« Tajima beugte sich vor.
    »Warum bist du hier?« Er deutete auf die feuchten Wände mit den Schimmelpilzen. »Du bist auf der Flucht, nicht wahr?«
    »Lystra hat mir geholfen. Und wenn ich dir helfe, so bezahle ich meine Schuld.«
    Tajima nickte langsam.
    »Wieviel Zeit hast du?« fragte Rovaria.
    »Nicht viel. Diese Nacht und einen halben Zwischentag. Dann muß ich gehen. Morgen geht ein Transport ab. Ich bin ein Soldat, dessen Rekonvaleszenz nunmehr abgeschlossen ist. An der nächsten Schlacht werde ich wieder teilnehmen.«
    Ihr Blick verfinsterte sich für einen Augenblick. »Nicht viel Zeit, Soldat. In diesen wenigen Stunden kann ich dich nur das Notwendigste lehren.« Sie beugte sich vor. Er trank ihren Blick. Er genoß ihre Berührungen. Es war etwas völlig Neues, das er jetzt erlebte. Es machte ihn unsicher und verlegen.
    »Du bist ein Soldat. Du bist das Produkt einer künstlich herbeigeführten Genverschmelzung. Du bist kein reinrassiger Mensch, wenn du weißt, was ich meine. Körper und Geist sind für einen bestimmten Zweck vorgesehen: im Kampf zu bestehen. Du bist eine organische Maschine. Nun, was soll’s, nur das Sein selbst ist wichtig.« Sie seufzte. »Du bist Verkaufsware, und deine Gene machen dich abhängig von der Familie, die dich ersteht. So ist es der Brauch auf Leseitis.«
    Nicken. »Ich weiß.«
    »Gut. Jeder Soldat verfügt über

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