Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
Vom Netzwerk:
eine mehr oder weniger rudimentär ausgebildete Fähigkeit zur Selbstregeneration. Das bedeutete schnellere Heilung von Verletzungen, aber es schließt auch die Möglichkeit zum Neuleben nach dem Tod ein – wenn der Betreffende die Regenerationsgabe entwickelt hat und somit die Gene selbständig zu reagieren beginnen, tritt der Körpertod ein.«
    »Ich bin bereits einmal gestorben«, sagte Tajima nachdenklich und erinnerte sich damit an die Worte der Geschichtenerzählerin.
    »Ich weiß. Lystra hat mich unterrichtet. Ein Mönch der Asketischen Kirche hat dir geholfen.« Sie zögerte einen Augenblick. »Nun gut. Die Mentalabhängigkeit wohnt in deinen Genen, Tajima. Sie bringt Fieber und schier unerträgliche Schmerzen, solltest du dich den Anordnungen deines Dienstherrn widersetzen oder gar zu fliehen versuchen – wie du es vorhast. Nein, keine Angst. Ich verrate bestimmt nichts.« Sie sprach es mit einer eigenartigen Betonung. »Wenn du stirbst, wird die Mentalabhängigkeit mit deinem Leben ausgelöscht. Gelingt es dir, deine Fähigkeit zur Selbstregeneration so gut zu kontrollieren, daß du deine gesamten Körperzellen zur Selbstheilung anregst und gleichzeitig den Abhängigkeitsfaktor aus dem genetischen Programm löschst, dann wirst du als Mentalfreier wiedergeboren.«
    »Ein … kontrollierter Tod?«
    »So kann man es sagen, ja.« Sie nickte. »Gut. Beginnen wir. Schließlich bleiben uns nur wenige Stunden. Und es gibt eine Menge zu lernen für dich …«
    »Ja.« Die Stimme Rovaria Loucas kam aus weiter Ferne. »Richte den Geist nach innen. Konzentriere ihn auf dein Sein … gut so …«
    Tajima Nimrod tauchte tiefer hinab in den Ozean, der sein Körper war. Manchmal hatte er den Eindruck, ertrinken zu müssen.
    »Eine Illusion, hervorgerufen durch deine Mentalabhängigkeit«, sagte Rovaria. »Du mußt glauben, daß du es schaffst. Dann wird es dir auch gelingen.«
    Noch tiefer. Bis er den Grund des Ichmeers sehen konnte. Einige Dutzend Meter über dem Grund verlangsamte sich die Bewegung.
    Und jetzt?
    »Jetzt, mein Freund, wird es ein wenig schwierig. Deine Konzentration hat inzwischen ein hohes Maß erreicht. In diesem Stadium bist du unempfindlich gegen äußeren Schmerz. Aber die Pein, die sich in deinem Innern befindet, kann dich verbrennen. Vorsicht ist angebracht.« Für eine Weile verstummte die Stimme, und Tajima spürte, wie sich ein warmer Hauch ihm zugesellte. Ein Ichschatten der Außenweltlerin. »Ja, so ist es gut. Wehre mich nicht ab. Nimm mich auf. In Ordnung. Und jetzt … stell dir vor, der Grund existiere nicht. Stell dir eine dunkle Tiefe vor, in die du ohne Schwierigkeiten hinabsinken kannst …«
    Mit Augen, die hier nicht existieren, blickte Tajima hinab. Der Grund begann sich aufzulösen.
    »In Ordnung.« Überraschung. »Du lernst schnell, Tajima. Dein Intelligenzquotient ist höher als der der anderen Soldaten.« Und, nachdenklich: »Vielleicht hat Lystra recht. Vielleicht ist den Mönchen bei deiner Herstellung tatsächlich ein Fehler unterlaufen. Aber ein so gravierender … eigentlich nur schwer vorstellbar …«
    Schmerz explodierte in Tajimas Körper. Er riß die Nichtaugen auf und sah um sich herum nur den ewigen Granit des Ozeangrunds. Er befand sich mitten drin, und die Abertausende von Tonnen Gestein erdrückten ihn, preßten sein Denken zusammen und …
    »Nein. Es ist Illusion, Tajima. Jetzt hast du einen Schatten des Schmerzes gespürt, den deine Mentalabhängigkeit hervorrufen kann. Nur einen Schatten, mehr nicht. Blicke hinab. Der Grund existiert nicht. Er ist nur eine Barriere in deinem Verstand, weiter nichts.«
    Ein zweites Mal löste sich der Granit auf. Tajima schwebte erneut hinab. Diesmal blieb der Schmerz aus.
    Richtig so?
    »Ja. Nahezu perfekt. Du lernst wirklich sehr schnell. Tiefer hinab. Der Grund liegt nun längst hinter dir. Illusion, hast du begriffen?«
    Ja.
    Er schwebte an leuchtenden Spuren vorbei und durchquerte schillernde Kanäle.
    »Nervenbahnen und Blutgefäße«, erläuterte Rovaria. »Du mußt noch tiefer hinab. Ja, richtig so. In den Mikrokosmos deines Körpers hinein. In Ordnung.«
    Gewaltige Blasen schwebten ihm entgegen.
    »Das sind deine Körperzellen. Du mußt die Membranen durchstoßen.«
    Der Widerstand war nicht sonderlich groß. Und kurz darauf war er im Innern der ersten Blase. Für einen Augenblick hatte er erneut das Gefühl, ersticken zu müssen.
    »Nein, langsam, Tajima, ganz langsam. Auch dies ist nur eine automatische

Weitere Kostenlose Bücher