Die Sirenen von Kalypso
an ihn. Seine Hände streichelten ihr silbernes Haar und glitten über die ockerfarbene Haut. Sie lachte glockenhell. »Ich hoffe, du findest das, was du suchst. Komm jetzt, Soldat. Verschwenden wir nicht noch mehr Zeit.«
Ihre Beine trugen sie weiter durch das Steppenland. Bald ging das Höllenfeuer auf, und der blendende Schein verdrängte die Kälte. Gegen Mittag des Langtages stießen sie auf weitere Warnsteine. Sie waren blau und teilweise mit weißem Kriechgras bewachsen. Tajima konnte die eingemeißelten und teilweise verwitterten Symbole nicht verstehen. Die Außenweltlerin kniete sich nieder. Ihre Hände berührten die Zeichen.
»Eine weitere Warnung«, kam es über ihre Lippen. »Die Warnung vor dem Strahlenland, das hier beginnt.«
»Strahlenland? Ich habe nie von einer solchen Region gehört. Was bedeutet es?«
Sie erhob sich wieder, beschattete die Augen und sah auf das vor ihnen liegende Land. Es war öde und karg und glich einer Wüste, die nach einigen Kilometer in einen Wald aus aufragenden Felsen überging. »Es bedeutet Radioaktivität. Weißt du, was das ist?«
Wieder schüttelte er den Kopf.
»Es ist eine Strahlung, die deinen Körper zu zersetzen vermag.« Sie schwieg eine Weile und sagte dann: »Komm, Tajima, die Strahlung ist hier nur wenig höher als der allgemeine Pegel. Keine Gefahr vor uns.«
Er folgte ihr ins Strahlenland hinein. »Wie kannst du sie wahrnehmen, Rovaria? Ich spüre überhaupt nichts.«
Sie lachte und stieg über kleinere Felsen hinweg. »Oh, es würde zu lange dauern, dir das zu erklären, Soldat. Radioaktivität entsteht durch den Zerfall von Elementen. Aber auch den Einsatz von Nuklearwaffen.«
»Moderntechnologie?«
»Ja.«
»Vor ungefähr dreißig Jahren«, sagte Tajima, während sie gleichmäßig dahinschritten, »fand auf Leseitis ein Krieg statt. Es war die Zeit, als die Außenweltler hierher kamen, und sie wollten den ganzen Planeten.«
»Das ist die Version, die du kennst«, murmelte Rovaria.
»Gibt es eine andere?«
»Oh ja. Es ist richtig, vor dreißig Jahren entdeckten die Außenwelten diesen Planeten. Oder entdeckten ihn neu, je nachdem, wie man es betrachtet. Draußen, Tajima, ist Magie völlig unbekannt. Und die Asketische Kirche setzte ihre Magie ein, um auch Außenwelten zu missionieren. Das war der Grund des Krieges, Tajima. Die Welten im Draußen haben sich gegen diese Missionierung gewehrt und den Einfluß der Kirche zurückgedrängt. Mit Moderntechnologie, denn sie haben nichts anderes. Magie ist eine starke Waffe, weißt du. Nun, die Mission der Asketischen Kirche wurde vereitelt und Leseitis daraufhin weitgehend abgeschirmt. Nur Sudmar blieb bestehen, als ein Tor, das nach draußen führt.«
Tajima antwortete nicht. Nach einigen Minuten sagte er: »Dieses Strahlenland … vielleicht ist es durch den Einsatz dieser … dieser Modernwaffen entstanden.« Der Steinwald war näher gekommen. Er wirkte wie eine einzige, massive Wand aus aufragenden Graniten. Nur hier und da war ein Spalt zu erkennen, der Durchlaß gewährte.
»Durch Nuklearwaffen? Oh nein, Soldat. Wenn das der Fall wäre, wäre die Strahlung sehr viel stärker. Sie ist aber nur noch ein Schatten vergangener Zeiten. Wenn hier Nuklearwaffen eingesetzt worden sind, dann vor langer Zeit. Vor vielen Jahrtausenden wahrscheinlich.« Ihre Stimme wurde wieder zu jenem nachdenklichen Flüstern, das Tajima kaum verstehen konnte. »Nun, es würde eine ganze Menge erklären. Wahrscheinlich war die Strahlung damals hoch genug, um das genetische Potential dieser Welt nachhaltig zu verändern. Vielleicht kam erst mit der Freisetzung der Radioaktivität die Magie. Wer weiß … Vielleicht hat der Krieg, der auf den Zusammenbruch folgte, damals auch diese Welt erfaßt.«
Tajima konnte die Worte verstehen, nicht aber ihren Sinn. Er schüttelte den Kopf und verdrängte die Gedanken. Eine halbe Stunde lang schritten sie an den aufragenden Graniten entlang, dann entdeckten sie einen Spalt, der groß genug war, um sie beide aufzunehmen und der sich Dutzende von Metern in den Steinwald hinein erstreckte.
»Wir verlieren zuviel Zeit, wenn wir die Felsen zu umgehen versuchen«, sagte er. »Versuchen wir also, durch sie hindurchzugelangen.«
Sonderbares Murmeln empfing sie, als sie den Granitwald betraten und tiefer hinein schritten.
»Die Stimme des Windes«, sagte Rovaria.
Tajima sah sich unsicher um. Dies war eine andere Welt als die, die er kannte.
»Ein Labyrinth.« Rovaria deutete in die
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