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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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ihrer Kehle. Er sah sie an, und in seinem Blick war etwas, das sie dort noch nie gesehen hatte. Mitleid vielleicht. Und ein wenig Zuneigung?
    »Ich mußte es tun, Lystra. Auch ich hatte keine andere Wahl. Daß ich dich traf, war ein glücklicher Zufall. Ich stand in der Schuld der Ohtanis. Jetzt, durch meine Hilfe, kann ich Leseitis, dieses elende Höllenloch, endlich verlassen. Ich habe Drogenkontakt zu vielen Reisenden aufgenommen. Du warst die richtige. Du hast dich als wahrer Schatz herausgestellt. Dein Wissen um das Mreydtor und Kalypso …«
    Etwas krampfte sich in Lystra zusammen, als sie diese Worte vernahm. Der Schmerz in ihren Gedanken war beinah noch heftiger als der in ihrem Magen. Vor vielen Jahren hatte sie das Geheimnis von einem sterbenden Orakel auf Narit übernommen. Mit dem Versprechen, es sorgsam zu hüten. Sie war nach Leseitis gegangen, um einen Lehrgang in der Prophetenschule zu besuchen. Sie hatte sich als minderbegabt erwiesen. Sie war zur Geschichtenerzählerin geworden, um eine Passage zu bezahlen, die von Leseitis fortführte. Sie hatte den Derianer kennengelernt und geglaubt, einen Menschen gefunden zu haben, dem sie vertrauen konnte. Er hatte ihr unbemerkt Leben verabreicht, ein Intensivgift einer Außenwelt, das sofort süchtig machte und nach einer gewissen Zeit die Zellverbände des Körpers aufzulösen begann und qualvollen Tod brachte, wurde nicht rechtzeitig ein Gegengift verabreicht. Und im Rausch hatte sie dem Derianer ihr Wissen anvertraut.
    »Ich möchte nur wissen«, sagte der Derianer langsam und nachdenklich, »warum das Mreydtor und Kalypso von solcher Bedeutung für die Ohtanis sind.«
    »Bitte«, stöhnte Lystra. »Das Mittel. Ich …«
    »Sie haben mich nicht nur ausgezahlt, sondern sogar noch einen Bonus drauf gegeben. Sonderbar …«
    Er setzte die Pistole an und drückte ab. Ein leises Zischen ertönte, als sich der Inhalt der Kanüle in den Blutkreislauf der Geschichtenerzählerin ergoß. Ruhe breitete sich in ihr aus. Ihre Beine gaben nach. Langsam sank sie auf den Boden.
    »Das … ist nicht das … Gegengift …« Ihre Stimme war kaum zu verstehen. Traumbilder, von Leben induziert, zogen an ihren inneren Augen vorbei.
    »Nein.« Die Stimme des Derianers war hart. »Es ist eine Überdosis.«
    »Wa … rum …?«
    »Es tut mir leid, Lystra. Der Ohtaniclan hat es mir aufgetragen. Ich kann nicht anders, verstehst du? Ich will endlich fort von Leseitis. Die Magie … sie zerbrennt meine Gedanken. Sie sprengt mein Hirn. Ich halte es hier einfach nicht mehr aus!«
    Lystra träumte den letzten Traum. Der Derianer sah ihr zu. Als die Geschichtenerzählerin gestorben war, aktivierte er den Rufstein, den der Ohtanimittelsmann ihm gegeben hatte. Der Rubin leuchtete auf.
    Er wartete.
    Zehn Minuten später klopfte es an der Tür. Der Derianer sprang auf und öffnete. Es war nicht der, den er erwartete. Es war ein Hybride, ein Soldat.
    Im Gegensatz zu Lystra starb der Derianer einen leichten, schnellen Tod.
     
    Zwischentag.
    Der Weiße Zwerg kletterte über den Himmel. Sein Schein war nur ein lauer Hauch von Wärme. Tajima Nimrod fröstelte und schlug den Kragen des Mantels hoch. Sein Atem war eine neblige Fahne, die vor seinem Gesicht wehte. Rovaria Louca sah sich um und deutete dann auf die Marken am Wegesrand: rote Steine mit eingemeißelten Warnsymbolen.
    »Dahinter liegt das Land-das-niemand-kennt.«
    »Ich weiß.« Tajima nickte. »Wir müssen es durchqueren. Kennst du seine Gefahren, Außenweltlerin?«
    »Ich habe Geschichten gehört. Legenden vielleicht nur. Möglicherweise aber auch mehr. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Auch ich kenne es nur aus Erzählungen.« Tajimas Blicke folgten dem Staub der Karawanenstraße. In der Kälte war er festgebacken. Er gab sich einen Ruck und setzte sich in Bewegung, schritt über den ersten der roten Warnsteine hinweg.
    »Wie weit ist es bis zum Mreydtor?« fragte Rovaria und ergriff seine Hand.
    »Es befindet sich im Südwesten, in einem Ausläufer des Niemandslands. Tausend Normkilometer. Vielleicht mehr, vielleicht weniger.«
    »Das ist sehr weit.«
    »Ja.«
    Tajima zögerte eine Weile, dann fügte er hinzu: »Du kannst zurück, Außenweltlerin. Ich nicht. Du mußt mich nicht begleiten.«
    Sie lehnte sich an ihn.
    »Ich kann genauso zurück wie du, Soldat. Ich bin auf der Flucht, wie du weißt.«
    »Auf der Flucht vor wem?«
    Sie schwieg. Sie antwortete nicht. Tajima drang nicht weiter mit Fragen in sie ein. Sie waren noch viele

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