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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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versteht sein Kauderwelsch schon? Gut möglich, dass der kleine Scheißer das sogar schafft, so, wie der sich reinhängt.« Der kleine Diener hatte seinen Auftrag erledigt, das ganze Zimmer erstrahlte in hellem Licht, und er selbst stellte sich diensteifrig vor Mayfield hin und riss sich die seidene Kappe vom Kopf. Mayfield klatschte in die Hände und sagte: »Und jetzt tanz, Schlitzauge!« Worauf der Junge tatsächlich wild und anmutlos die Beine zu werfen begann, so, als träte er auf glühende Kohlen. Das war kein schöner Anblick, und hätte ich mir nicht schon zuvor meine Meinung über Mayfield gebildet, so stünde sie spätestens nach dieser Darbietung fest. Sobald Mayfield ein zweites Mal klatschte, durfte sich der Junge endlich keuchend auf alle viere fallen lassen. Er konnte nicht mehr, und ein paar Münzen flogen auf den Boden, welche er sofort in seine Kappe schaufelte. Dann stand er auf, verbeugte sich und verließ lautlos den Raum.
    Kurz darauf kehrte die Alte mit dem roten Fell zurück. Es war inzwischen gereinigt und hing über einer Art Spannrahmen, der aussah wie eine Trommel und den sie nur mühsam ins Zimmer bugsierte. Ich stand auf, um ihr behilflich zu sein, doch Mayfield befahl mir – ein wenig zu schroff, wie ich fand –, Platz zu behalten. »Lass sie das tun«, sagte er, und sie zerrte den Spannrahmen in die hintere Ecke, damit jeder das Bärenfell mit der ungewöhnlichen Farbgebung gut sehen konnte. Dann wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und stapfte schweren Schritts aus dem Zimmer.
    Ich sagte: »Die Frau ist doch viel zu alt für die schwere Arbeit.«
    Mayfield schüttelte den Kopf: »Sie ist eifrig für zwei. Ich habe versucht, ihr leichtere Arbeit zuzuweisen, aber davon will sie nichts wissen. An schweren Aufgaben hat sie ihre wahre Freude.«
    »Von Freude war bei ihr wenig zu sehen. Doch vielleicht handelt es sich ja um jene innere Freude, die sich dem Außenstehenden nicht erschließt.«
    »Ich rate Ihnen, zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf.«
    »Das brauche ich nicht, denn es ist für jeden zu sehen.«
    »Aber mir geht es auf die Nerven.«
    Charlie schaltete sich ein. »Okay, reden wir lieber über den Preis für den Pelz.«
    Mayfield blickte mich abschließend an und wandte sich dann zu Charlie. Er warf fünf goldene Doppeladler auf den Tisch, die Charlie an sich zog. Davon bekam ich zwei, und ich nahm mir vor, sie noch schneller aus dem Fenster zu werfen als sonst. Wie sähe eigentlich die Welt aus, wenn wir uns nicht andauernd Geld in die Taschen stopfen würden – oder gleich in die Seele?
    Jetzt betätigte Mayfield die dritte und größte Glocke. Draußen auf dem Korridor hörte man plötzlich viele Schritte, und ich stellte mich schon auf die vier Fallensteller ein, die jeden Moment durch die Tür gestürmt kamen, um uns anzugreifen. Stattdessen füllte sich das Zimmer mit geschminkten Huren, sieben an der Zahl, in Spitzenmiedern und schon betrunken. Sie inszenierten sich gleich auf die bekannte Weise, indem sie in die Rolle der vorwitzigen, koketten und doch stets besorgten Geliebten schlüpften – oder auch alles auf einmal waren. Eine hielt es sogar für angebracht, wie ein kleines Mädchen zu sprechen. Ich fand die Anwesenheit der Huren deprimierend, aber Charlie war ganz in seinem Element. Vor allem war sein Interesse an diesem Mayfield geweckt. Ich sah ihm an, was er dachte. Er stellte sich vor, an Mayfields Stelle zu sein. Und zum ersten Mal sah er so etwas wie eine Zukunft für uns, denn bis jetzt hatten wir eigentlich keine. Es war, wie der tote Goldsucher gesagt hatte: Charlie und Mayfield glichen einander, obwohl Letzterer älter war und schwerer und stärker vom Alkohol gezeichnet. Sosehr ich mich nach der geregelten Einsamkeit in einem kleinen Kaufladen sehnte, so wenig würde Charlie vom aufregenden Verbrecherleben lassen können, selbst wenn er die Verbrechen nicht mehr persönlich begehen musste, sondern eine Armee von bewaffneten Helfershelfern dafür hatte, die auf sein Kommando hörten. Er würde dann nur noch im Hintergrund die Fäden ziehen, irgendwo, wo es angenehm roch und vollbusige Damen Drinks einschenkten und auf dem Teppich kichernd ihren Hintern darboten wie ausgelassene Krabbelkinder, so voll waren sie von Branntwein und obendrein verdorben bis ins Innerste. Mayfield hielt mich gewiss für einen, dem jegliche Lust an der Sache abging, denn er fragte beleidigt: »Die Frauen gefallen dir wohl nicht?«
    »Danke, an den Frauen ist

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