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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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ankündigte. Er stellte Mayfield allerlei Fragen über sein Geschäftsmodell, doch mit einer Unterwürfigkeit, die mir bei Charlie überhaupt nicht gefiel. Mayfield antwortete vage, aber allem Anschein nach war er unverhofft auf Gold gestoßen und verjubelte es nun so schnell, wie es ihm möglich war. Ihre mühsame Unterhaltung langweilte mich aufs Tiefste, und so ergab auch ich mich still dem Branntwein. Ab und zu kam eine der Frauen vorbei und ließ ihre Reize spielen, etwa indem sie sich auf meinen Schoß setzte, bis mein Geschlechtsteil reagierte, was sie spaßig fand und sofort zu meinem Bruder oder Mayfield wechselte. Ich erinnere mich, wie ich einmal aufstand, um mein geschwollenes Gemächt zu sortieren, und dabei feststellte, dass mein Bruder und Mayfield auf ähnliche Weise erregt waren und trotzdem versuchten, ihre Unterhaltung fortzuführen. Je mehr der Branntwein seine Wirkung tat, desto weniger war ich imstande, die Frauen zu unterscheiden. Ihr Kichern, ihr Parfum, alles verschmolz zu einem grellen Bouquet, das mich betörte und mir gleichzeitig Übelkeit bereitete. Mayfield und Charlie redeten nur noch aneinander vorbei, will sagen, sie redeten inzwischen nur noch mit sich selbst und wollten auch nichts anderes mehr hören als sich selbst. Charlie spottete über meine Zahnbürste, Mayfield entlarvte wortreich den Mythos von der Wünschelrute. So ging es in einem fort, bis ich sie beide verachtete. Ich dachte: Bei vollendeter Trunkenheit verhält sich der Mensch, als wäre er allein im Zimmer. Zwischen ihm und seinen Mitmenschen ist eine undurchdringliche Wand.
    Dann der nächste Brandy und der nächste, erst danach bemerkte ich die Neue, die hinten am Fenster stand. Sie war blasser und weniger vollbusig als die anderen, und Sorgen oder schlaflose Nächte hatten tiefe Ringe um ihre Augen gezeichnet. Gleichwohl war sie eine echte Schönheit, mit jadegrünen Augen und goldenem Haar, das ihr bis auf die Hüften hinabfiel. Mutig geworden durch den vielen Branntwein sowie die begleitende, unvermeidliche Dummheit, starrte ich sie an, bis sie gezwungen war, meinen Blick zu erwidern, was sie eher mitleidig tat. Ich zwinkerte ihr zu, und wiederum schaute sie mich höchstens mit überlegenem Bedauern an. Ich kann nur ahnen, was ich in ihren Augen war. Dann ging sie zur Tür, und selbst dabei entließ sie mich nicht aus ihrem Blick. Ich glotzte ihr hinterher und danach eine ganze Weile auf die Tür, die sie einfach offen gelassen hatte.
    »Wer war das?«, fragte ich Mayfield.
    »Wer war wer?«, sagte er.
    »Wer hat noch nicht, wer will noch mal?«, rief Charlie dazwischen, und alles lachte.
    Ich verließ Mayfields Herrenzimmer und fand die Frau im Korridor wieder, wo sie an ihrer Zigarettenspitze sog. Sie war nicht überrascht, dass ich ihr gefolgt war, allerdings auch nicht froh darüber. Offenbar war sie daran gewöhnt, dass ihr Männer nachliefen, sobald sie das Zimmer verließ. Ich wollte den Hut vom Kopf nehmen, doch der Hut war nicht mehr da. Ich sagte: »Wir kennen uns nicht, aber ich hielt es in diesem Raum nicht mehr aus.« Sie antwortete nicht. »Mein Bruder und ich haben Mayfield ein Bärenfell verkauft und sind jetzt gezwungen, uns seine Lügenmärchen anzuhören.« Sie sah mich weiterhin nur an. Der Zigarettenrauch kräuselte sich um ihre Lippen, auf denen ein Lächeln verborgen lag. Dennoch waren ihre Gedanken nicht zu ergründen. »Was haben Sie denn mit Mayfield zu tun?«
    »Ich lebe hier. Ich bin die Buchhalterin von Mr. Mayfield.«
    »Wohnen Sie in einem Hotel oder woanders?« Viel zu spät fiel mir auf, dass dies genau die falsche Frage war und dass allein der Branntwein daran die Schuld trug. Zum Glück nahm sie daran keinen Anstoß, sondern sagte nur: »Ich wohne im Hotel, aber manchmal auch hier, wenn zufällig ein Zimmer frei ist – spaßeshalber.«
    »Spaßeshalber? Was macht daran Spaß?«, fragte ich. »Sind sie nicht alle gleich?«
    »Oberflächlich betrachtet, sind sie gleich. Faktisch gibt es bedeutende Unterschiede.«
    Ich wusste darauf nichts zu sagen, allein der Branntwein zwang mich zum Reden, bis eine bessere Vernunft meine Lippen versiegelte. Darüber war ich froh, doch das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten. Die Frau wusste nicht, wohin mit ihrer Zigarette, und blickte umher. Ich bot mich an, und sie ließ den glühenden Stummel in meinen Handteller fallen. Ich zerdrückte die Glut zwischen meinen Fingern und bemühte mich, sie dabei so gelassen wie möglich

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