Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
Vom Netzwerk:
Gold, und er starrte nur darauf. Leider hatte auch Charlie die Transaktion mitbekommen und mischte sich ein.
    »Was tust du denn da, Eli?«, fragte er mich.
    »Ich darf es also behalten?«, fragte der Junge.
    »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, sagte Charlie.
    Ich aber sprach zu dem Jungen: »Geh über den Pass, und halte dich nach Norden. Und kommst du nach Jacksonville, geh zum Sheriff, und erkläre ihm deine Situation. Und hältst du ihn für einen ehrlichen Mann, bitte ihn, das Gold für dich in Bargeld zu tauschen.«
    »Ho-ho!«, sagte der Junge und klatschte den Beutel gegen die Handfläche.
    »Also ich bin dagegen«, sagte Charlie
    Ich sagte: »Das ist Geld, das wir in der Erde gefunden haben – und das keiner von uns braucht.«
    »Oh, so einfach siehst du das? In der Erde gefunden? Wenn ich mich recht erinnere, war das ganze Drumherum nicht ganz so einfach, oder?«
    »Egal. Der Junge hat meinen Anteil bekommen. Vielleicht aber auch deinen. Denk, was du willst.«
    »Verstehe, jetzt wird schon über meinen Anteil verhandelt.«
    »Genau. An deiner Stelle würde ich das Thema wechseln«, sagte ich und wandte mich wieder dem Jungen zu. »Wenn der Sheriff das für dich geregelt hat, kaufst du dir neue Anziehsachen, möglichst solche, in denen du älter aussiehst. Kauf dir den größten Hut, den du finden kannst, und zieh ihn tief ins Gesicht. Außerdem brauchst du ein neues Pferd.«
    »Und was soll aus Lucky Paul werden?«, fragte der Junge.
    »Verkauf ihn, der Preis ist egal. Wenn du keinen Käufer findest, jag ihn weg.«
    Aber der Junge schüttelte den Kopf. »Ich werde mich nie von ihm trennen.«
    »Dann kommst du nie nach Hause. Er hält dich auf, bis dein Geld verbraucht ist und ihr beide hungers sterbt. Versteh doch, ich will dir helfen. Aber wenn du nicht auf mich hörst, nehme ich das Gold wieder an mich.«
    Da wurde der Junge ganz still. Ich warf noch etwas Holz aufs Feuer und befahl ihm, seine Kleidung zu trocknen, möglichst noch vor Sonnenuntergang. Er zog sich aus, hing seine Sachen aber nicht auf. In einem nassen Haufen lagen sie in Sand und Schlamm, und er stand hilflos und wie ein Häufchen Elend vor uns in unschöner Nacktheit. War er schon mit Kleidung ausgesprochen hässlich, so sah er in seiner Blöße aus wie ein Ziegenbock. Natürlich begann er sofort wieder zu weinen – für mich das Signal zum Aufbruch. Mein Pferd Tub besteigend, wünschte ich ihm eine gute Reise und sichere Heimkehr, doch das waren leere Worte, denn sein Schicksal war eindeutig besiegelt. Selbst mein ganzes Gold würde ihn nicht retten, jetzt war es allerdings zu spät, es zurückzufordern. Verweint blieb er zurück und blickte uns nach, während sein Pferd Lucky Paul im Hintergrund das Zelt umstieß. Ich aber dachte bei mir: Schon wieder eine Erinnerung, die in meinem Herzen viel zu viel Platz beanspruchen wird.

Wir ritten weiter nach Süden, immer am Ufer des Flusses entlang. Das Ufer war sandig, aber trittfest, und wir kamen gut voran, wenngleich sozusagen auf getrennten Wegen, denn Charlie ritt auf der einen Seite des Flusses, ich auf der anderen. Die Sonne drang durch die Baumwipfel und wärmte uns das Gesicht. Das Wasser war glasklar, und eine fette Forelle fächelte sich träge in der Strömung. Charlie rief mir zu, wie beeindruckend er dieses Kalifornien finde und wie erfrischend und wie es Lust mache auf neue Taten, ein Land der tausend Gelegenheiten, waren seine Worte. Ich hatte nicht gerade diesen Eindruck, verstand aber, was er meinte. Dahinter stand die Denkweise, dass ein idyllisches Flüsschen wie dieses sich nicht in ästhetischen Reizen erschöpfte, sondern reale Reichtümer zu bieten hatte, da die Erde doch bestimmt so gut sein würde, einen nicht verkommen zu lassen. Vielleicht ging der sogenannte Goldrausch nur auf diesen Gedanken zurück. Jedenfalls machten sich Massen von unglücklichen Menschen auf den Weg zu einem Wunderort, um sich auch ein Stück von jenem Glück zu schnappen, das sonst nur andere hatten. Ein verführerischer Gedanke, wie ich zugeben muss, aber auch einer, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Meiner Meinung nach winkt das Glück nur demjenigen, der es sich kraft seines Geistes verdient. Kurz, man muss es sich schon erwerben, erschwindeln geht nicht.
    Doch als wolle mich Kalifornien selbst widerlegen, lief uns, kaum hatten wir angehalten, um einen Schluck Wasser zu trinken, die rote Bärin über den Weg. Sie kam aus dem Wald und durchquerte, keine dreißig Meter vor uns,

Weitere Kostenlose Bücher