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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Das ist wirklich eine tolle Erfindung.«
      Wieder herrschte Schweigen. Der Weg war beschwerlich, und Reden lenkte nur ab.
      Fluchend, einander stoßend, hinfallend, schwankend, die Seiten wechselnd gelangten sie vom Eselspfad schließlich auf eine befestigte Straße. Nando stützte sich an einem Laternenpfahl ab, um zu verschnaufen. Er war erhitzt, und die Brillengläser waren beschlagen.
    »Wie ist die Beleuchtung im Ort geregelt?« fragte er.
      Decu gab ihm bereitwillig Auskunft. Er war froh, sich während des Aufstiegs nicht das Genick gebrochen zu haben.
      »In den Straßen um die Ortschaft herum gibt es ein paar Öllampen wie diese hier; in den Straßen im Ort stehen mehr Laternen, und sie werden mit Petroleum betrieben.«
    »Wann genau werden sie angesteckt und wann gelöscht?«
    Stunden an, weil die Leute gerne Spazierengehen und die Abendfrische suchen. Im Winter aber wird das Licht früher gelöscht.«
      »Ist gut, wir sind ja jetzt im Winter, was bedeutet also ›früher‹?«
      »Je nachdem, wieviel mein Onkel und Vanni Scoppola, der stellvertretende Bürgermeister, daran verdienen wollen. Ich will kein Blatt vor den Mund nehmen. Gesetzt den Fall, Scoppola braucht Geld, dann sagt er zu meinem Onkel: laß uns angeben, daß wir die Lichter bis um neun Uhr haben brennen lassen, du aber löschst sie schon um sieben. Das in den zwei Stunden eingesparte Petroleum teilen wir unter uns auf. Ist es jetzt klar?«
      »Laternenklar«, antwortete Traquandi und lächelte ob seiner geistreichen Antwort. »Und wie ist die Theaterbeleuchtung?«
    »Mit Petroleum.«
      »Gibt es ständig brennende Laternen? Nicht nur auf dem Platz vor dem Theater, meine ich, denn dort steht ja eine ganze Menge.«
      »Die vor den Häusern der zwei Ärzte, dem der Hebamme, des Bürgermeisters und des Kommissars Puglisi.«
    »Puglisi, das hat mir Mazzaglia gesagt, kann den Präfekten auf den Tod nicht ausstehen. Bortuzzi hat ihn nämlich bezichtigt, das illegale Lotteriespiel zu decken, ebenso wahr, daß Puglisi eine reine Weste behielt. Das aber bedeutet noch nicht …«
    »Was bedeutet das nicht?«
      »Daß Puglisi es dir durchgehen lassen wird, wenn du das Theater anzündest. Er ist und bleibt ein Sbirre, und ein tüchtiger obendrein. Hier, das ist das Haus von Pitrino, der Tonwaren herstellt.«
      Traquandi betrachtete den Bau, der nicht viel größer als ein Hundezwinger war.
    »Aber wo schläft der denn?«
      »Ja, was glaubst du, wo der schläft? Da drinnen natürlich.«
    »Und wo sind die Sachen, die er verkauft?«
    »Da hinten.«
    Hinter der Hütte gab es einen kleinen Platz mit niedriger
    Umzäunung. Für Decu war es ein Kinderspiel, darüberzusteigen. Er nahm zwei mittelgroße bauchige Tongefäße in die Hand und zeigte sie Nando, der ihm bedeutete, daß sie recht seien. Dann setzten sie ihren Weg fort.
      »Wo ist die Laterne, die am nächsten beim Theater steht?«
    »Die vor dem Haus der Hebamme.«
    »Gehen wir hin.«
    Auf dem Weg mußten sie sich noch hinter einem
    Stoff von seinem Hemd ab, zweiteilte es und steckte jeweils ein Stück in die Öffnungen. Zuletzt tränkte er die zwei heraushängenden Stoffetzen mit Petroleum.
    »Jetzt können wir los«, sagte er schließlich.
    Mit größter Umsicht setzten sie sich in Bewegung, da sie
    hörten, daß immer noch Soldaten zur Wache auf dem kleinen Platz vor dem Theater standen, wenn sie auch in der Finsternis nicht zu sehen waren. Sie nahmen eine kleine Straße längs der Seitenwand des Theaters und gelangten zur Rückseite des Gebäudes. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen.
      »Wir sind soweit«, sagte Traquandi leise. »Du gehst zum rechten Flügel. Schlag die Scheiben sämtlicher Kellerluken ein und wirf deine Spardose hinein. Ich mache das gleiche mit der meinen. Wart mal, ich zünde sie dir erst noch an.«
      Er steckte erst die Zündschnur bei Garzìa, dann bei sich an.
    »Los, beeilen wir uns.«
      Traquandi hatte mit der Eisenstange das erste Fenster eingeschlagen und versucht, sowenig Lärm wie möglich zu machen, als er die erstickte Stimme Decus hörte:
    »Nando, komm her, lauf!«
    Traquandi war in Windeseile bei ihm. Wortlos zeigte Decu ihm die halbgeöffnete Tür, die auf die Unterbühne führte.
    konnte er vier Körbe mit Kostümen erkennen und warf, ohne zu zögern, das erste Tongefäß hinein, das sogleich zerbrach. Im Nu gingen die Körbe in Flammen auf. Beim ersten Feuerschein sah sich der Römer mit Ruhe um. In

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