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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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einer anderen Ecke sah er zahlreiche zusammengerollte Bühnenprospekte, die an der Wand lehnten. Das zweite mit Wucht geschleuderte Tongefäß verwandelte sich in eine riesige Fackel. Keuchend eilte er die Treppe wieder hinauf.
    »Schnell weg von hier.«
    »Wohin?«
    »Zu dir nach Hause, Garzìa. Ich habe einen Mordshunger, und müde bin ich auch. Hast du ein gutes Tröpfchen zu Hause?«

    Mit der Zeit nannten ihn alle Don Ciccio. Im übrigen hatte er nicht viel dagegen einzuwenden, wenngleich er mit Vornamen Amabile und mit Nachnamen Adornato hieß. Jetzt war er also Amabile Adornato, genannt Don Ciccio. Rund zehn Jahre vor den Ereignissen anläßlich der Theatereinweihung war er von Palermo, wo er Schreiner war und sich auf dem Gebiet der kunsthandwerklichen Arbeiten einen Namen gemacht hatte, nach Vigàta gekommen.
      Nach dem Tod seiner Frau wollte er hier in der Nähe seines einzigen Sohns Minicuzzo leben, der von Beruf Grundschullehrer war. Da er mit seiner Handwerkskunst in Palermo Geld gemacht hatte, was auch das Studium seines Sohns ermöglicht hatte, konnte er bei seiner Ankunft im Ort einen Lagerraum erwerben, eine Art Schuppen, wo er weiterhin seinem Gewerbe nachging. Er kaufte sich auch ein bescheidenes Häuschen, in dem er für sich lebte, um seinem Sohn nicht zur Last zu fallen, der verheiratet war und zwei kleine Kinder hatte. Nicht nur in Vigàta, auch in Montelusa, Fela und Sfiacca sprach sich seine Kunst in kürzester Zeit herum, und so mangelte es ihm nie an Aufträgen.
    Don Ciccio hatte noch etwas Besonderes an sich. Er war nicht nur in der Musiktheorie bewandert und konnte Partitur lesen. Man erzählte sich auch, daß er so herrlich Querflöte spielte wie die Engel im Himmel, wenn der liebe Gott sie um ein Konzert bittet. Die Leute, die seine Bauer, der ebenfalls Flöte spielte, doch die aus Schilfrohr wie die Ziegenhirten … und überhaupt jeder, der in der Nähe seiner Werkstatt vorbeikam, wo Don Ciccio sein Sonntagskonzert hielt, und Lust verspürte, Musik zu hören.
      Ohne Zweifel war Don Ciccio jemand, zu dem einem bei genauerem Überlegen ein paar Fragen kamen. Vor allem die eine: wo und warum hatte er das Flötenspiel gelernt, und wie kam es, daß er so viel von Musik verstand? Unbestreitbar war, daß Don Ciccio in Sachen Musik große Kompetenz besaß. Doch jedesmal, wenn man ihm diese Fragen stellte, tat er es wie die Kellerassel, die sich schon bei der leisesten Berührung zu einer Kugel zusammenrollt. Das Höchste, was man aus ihm herausbrachte, waren einsilbige Ja, Ach, Wenn, Nein. Doch eines Tages, just an seinem siebzigsten Geburtstag, an dem seine Freunde ihn groß feierten und ihn auch betrunken gemacht hatten, fragte der Kapitän des Dampfschiffs ihn geradeheraus: »Don Ciccio, wie kam das?«
    Keiner hatte mehr damit gerechnet. Don Ciccio aber erklärte, wie es gekommen war, daß die Musik in sein Leben getreten war und ihn nie mehr wieder verlassen hatte. Es war eine wunderschöne Erzählung, und die Zuhörer lauschten mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen. Es schien eine jener Geschichten zu sein, wie man sie den Kleinen vor dem Schlafengehen erzählt. Die Nachricht machte die Runde, und von Zeit zu An einem Sonntag, eine Woche vor der Theatereinweihung, als Don Ciccio gerade zum Auftakt des Konzerts die Flöte an die Lippen setzen wollte, sah er den gesamten Generalstab des Bürgervereins »Familie und Fortschritt« in seine Werkstatt eintreten: vom Marchese Coniglio della Favara zum Arzt Gammacurta, vom Kanonikus Bonmartino bis zum Vorsitzenden Cozzo. Die Stühle reichten nicht für alle. Don Ciccio war gerührt. Er fühlte sich geehrt und wußte weder, was er sagen, noch, was er tun sollte. Fragend blickte er um sich. Seiner Stellung und seines Ansehens gemäß ergriff der Marchese ohne Umschweife das Wort: »Don Ciccio, verzeihen Sie unseren Überfall, aber wir bedürfen dringend Ihres hochgeschätzten Urteils.«
      Don Ciccio geriet in Verwirrung und machte zwei oder drei Verbeugungen vor den Umstehenden.
    »Zu Diensten die Herren.«
      »Don Ciccio, Sie kennen doch gewiß diese Oper, die der Präfekt von Montelusa uns um jeden Preis aufzwingen will? Ich glaube, sie heißt Der Bierbrauer von Preston .«
      »Jawohl, ich habe sie vor ungefähr zwanzig Jahren in Palermo gehört.«
    »Und wie fanden Sie sie?«
    Grabesstille trat ein. Don Ciccio wollte offensichtlich Zeit gewinnen. Nur der Marchese hatte den Mut, das Schweigen zu unterbrechen, und

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