Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
töten.«
»Wer kommt?«
Er antwortete mir nicht, starrte nur vor sich hin mit diesem weißen Mondglanz in den Augen.
»Ich bringe dich ins Bett, mein Liebling. Dort bist du sicher.«
»Niemand ist sicher.«
Unwillkürlich fahre ich zusammen.
Am Ende schaffte ich es, ihn ins Bett zu lotsen. Er schlief sofort wieder ein und rührte sich bis zum Morgen nicht mehr, doch ich lag für den Rest der Nacht wach.
Heute Morgen beim Anziehen frage ich: »Wie kommst du eigentlich mit Zidan zurecht?«
Er wirft mir einen düsteren Blick zu; seine Augen sind beinahe schwarz. »Er ist mein Bruder.«
»Er hat dir doch nichts getan, oder?«
Sein Blick wird wachsam. »Nein.«
»Bist du ganz sicher?«
Er nickt, sieht mich jedoch nicht an.
»Oder dich bedroht?«
»Du bist dumm, Mama. Er ist mein Freund.«
»Wenn er es jemals tut, musst du es mir sagen, Mohammed. Versprichst du mir das?«
»Versprochen, Mama.«
»Und ich bin sicher, dass dein Vater dir nicht wehtun wollte, als er dich neulich geschlagen hat. Er war mit den Gedanken woanders. Er war böse auf mich, weißt du, und wenn er in Zorn gerät, nun ja … dann kann er nicht anders. Aber er liebt dich sehr, Mohammed, vergiss das nie.«
Momo nickt feierlich, obwohl er natürlich viel zu klein ist, um es zu verstehen. Er ist so ein tapferer Kerl, dabei ist er noch so jung. Ich muss ihn retten, ganz gleich, zu welchem Preis, obwohl sich mein Herz bei dem Gedanken, ohne ihn zu leben, verkrampft.
Ich habe einen Plan. Er ist mir eingefallen, während ich in den vergangenen Nächten stundenlang wach lag und an die Decke starrte. Ich habe hier am marokkanischen Hof viel gelernt. Ich habe gelernt, listig, wachsam und eigenständig zu sein. Ich kann ein wenig Arabisch und lasse mir nicht anmerken, wie viel ich verstehe. Ich habe gehört, wie Zidana ihren Sklavinnen Anweisungen gibt und ihnen Geschichten über Giftmorde erzählt. Ich habe gelernt, mir eine Maske zuzulegen, wie Nus-Nus mir geraten hat, und zu lächeln, obwohl ich lieber toben und um mich schlagen würde. Ich habe gelernt, Lust zu heucheln, wenn ich nur Schmerz und Erniedrigung empfinde. Mit anderen Worten, ich habe gelernt, eine so gute Schauspielerin zu sein, dass ich zusammen mit den besten Huren von London auf der Bühne stehen könnte.
Und bei alledem ist mir meine kleine Dienerin Mamass, die Tochter des Kochs, als zusätzliches Augen- und Ohrenpaar eine unersetzliche Hilfe. Sie hat sich als schlaue Spionin erwiesen. Sie wirkt so jung und unschuldig, fast noch ein Kind, sodass man auch in ihrer Gegenwart unbedacht redet. Sie stellt Fragen, die sich niemand sonst zu stellen trauen würde. Sie hat sich mit dem Sohn des Kräuterhändlers angefreundet. Nachdem sie in den Küchen des Palastes aufgewachsen ist und sich mit ungewöhnlichen Zutaten auskennt, kann sie ihn zu allen möglichen Themen befragen, ohne sich verdächtig zu machen. Sie ist ein wahrer Schatz. Und weil ihr Vater Malik der Koch des Sultans ist, kann sie sich im ganzen Palast frei bewegen; sie muss nur sagen, dass sie ihren Vater besuchen will. Doch kaum jemand hält sie auf: Jeder kennt die kleine Mamass mit den großen schwarzen Augen, dem bezaubernden Lächeln und der Zahnlücke.
Ich schicke sie los, um Nus-Nus zu holen.
NEUNUNDZWANZIG
I ch habe gehört, dass eine Gesandtschaft nach London reisen wird.«
Ich sehe sie erstaunt an.
»Der Harem mag von Mauern, Toren und Wachen abgeriegelt sein, doch Gerüchte können sie trotzdem nicht aufhalten.«
»Ja. Kaid Mohammed ben Hadou soll sie leiten. Der englische Gesandte hat darum gebeten, nachdem er sich mit dem Sultan weder über den Rückkauf der Sklaven noch über den Status von Tanger hat einigen können. Ich glaube, er hatte Angst, dass man ihn persönlich dafür verantwortlich machen könnte, die Verhandlungen nicht erfolgreich abgeschlossen zu haben.«
»So etwas habe ich auch gehört. Und angeblich sollen Kaid Mohammed Sharif, der englische Abtrünnige Hamza und ein Dutzend weitere Männer mitkommen. Sind die Männer schon ausgesucht?«
Sharif ist ein anständiger Mensch und auf eine komplizierte Art mit der Familie des Sultans verwandt. Aber Hamza! Bei dem Namen durchfährt mich die Erinnerung wie ein Schock: Er war einer der drei Männer, die Samir Rafik bei ihrem fehlgeschlagenen Angriff auf mich vor ein paar Monaten begleitet haben. Ein bitterer Geschmack steigt mir in die Kehle.
Ich zucke die Achseln. »Zu diesen Informationen habe ich keinen Zugang.«
»Wer entscheidet
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