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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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wird er wieder ganz der Alte sein.«
    Ich stopfe die Decke um Momo fest und berühre mit den Fingerspitzen seine Stirn, so wie meine Mutter es mit mir tat, um die bösen Geister und die bösen Gedanken von mir fernzuhalten. »Und jetzt schlaf. Morgen komme ich dich abholen, incha’Allah .«
    »Incha’Allah« , antwortet er schläfrig und dreht sich auf die Seite.
    Die große Reisetruhe ist ein echtes Wunderding. Der schmale Raum in dem doppelten Boden, in dem der arme Momo liegen wird, ist mit dickem Stoff gepolstert, an den Seiten und oben befinden sich diskrete Löcher zum Atmen. Wer immer den Inhalt der Truhe durchsucht, wird hoffentlich nicht auf die Idee kommen, dass sie einen doppelten Boden besitzt. Zwar habe ich ein leichtes Schlafmittel für ihn, um die schlimmsten Strapazen zu lindern, trotzdem ist es schwer, sich vorzustellen, wie der arme Kerl das überstehen soll. Stundenlang reglos dazuliegen, während man von Maultieren und Trägern hin und her geworfen wird, wäre schon für einen verzweifelten Flüchtling eine Tortur, ganz zu schweigen von einem lebhaften Kind, das normalerweise keine Minute stillsitzen kann und die Notwendigkeit eines solchen Versteckspiels gar nicht begreifen wird. Über ihm werden die Salz- und Zuckerkegel und die Säcke mit Safran und anderen Gewürzen liegen, die wir dem englischen König als Gastgeschenke des Sultans mitbringen. Ein kleiner Schatz, allerdings nicht so wertvoll oder selten, dass er die Aufmerksamkeit von Dieben oder anderen Ganoven erwecken kann, hoffe ich.
    Es gibt noch so viel, was schieflaufen kann in diesem Abenteuer, dass ich nicht ständig daran denken darf. Momo ist am Leben, und das gefährliche Zeug, das ihm Zidana heute Morgen in dem Glauben gab, ihn in den Tod zu schicken, hat ihm offensichtlich keinen Schaden zugefügt. Das Zeug, das ich ihr besorgte. Ein riskantes Doppelspiel, was ich hier treibe, doch letzten Endes blieb mir angesichts von Alys’ zunehmender Angst um ihren Sohn und der geringen Aussicht, Hilfe durch die englische Gesandtschaft zu erhalten, nichts anderes übrig. Ohne den braven Kaufmann allerdings hätte ich gar nichts machen können. Um uns zu helfen, hat er sein Leben riskiert, nur für den Lohn der Freundschaft. Es war nämlich Daniel – und nicht irgendein unzuverlässiger Kräuterdoktor –, der mir das Gift besorgte, einen Sud aus Stechapfelkernen, den ich Zidana gab und der Momo in einen todesähnlichen Zustand versetzte. Daniel, der mir versicherte, dass sein Freund, Doktor Friedrich, den Tod des Jungen attestieren würde, Friedrich, der in den letzten Wochen die Substanz an einer Vielzahl von immer größeren Tieren getestet hatte, um die richtige Dosierung zu finden. Es war Daniel, der mit seinem Schwiegersohn Isaac dem Trauerzug heimlich bis zum Friedhof folgte, dort wartete, bis alle wieder gegangen waren, und bei Anbruch der Nacht den Knaben aus der losen Erde wieder herausholte und in sein Leichentuch die Gebeine eines anderen, namenlosen Kindes wickelte, das an der Pest gestorben war. Dann brachte er Momo in sein Haus, wo er auf mich warten sollte. Es war Daniel, der die Truhe von einem zuverlässigen Zimmermann bauen ließ oder die Salz- und Zuckerkegel und die anderen Güter lieferte. Dadurch verschaffte er mir einen Vorwand, sein Haus aufzusuchen, denn die Bestellung war offiziell und wurde ausnahmsweise vom Schatzmeister bezahlt.
    Als ich ihn verlasse, drückt er mir einen Zettel in die Hand. Darauf steht in seiner festen Handschrift eine Londoner Adresse.
    »Ob er dir helfen wird, vermag ich nicht zu sagen. Als wir noch Geschäftspartner waren, hatte ich nicht besonders viel für ihn übrig, doch das mag an einem kulturellen Missverständnis gelegen haben. Wir müssen auf seine gute Seite vertrauen.« Er schließt meine Finger um den Zettel und umarmt mich herzlich. »Geh mit Gott, Nus-Nus. Ich werde dafür sorgen, dass man die Truhe samt Inhalt morgen in aller Frühe zu dem übrigen Gepäck der Gesandtschaft vor das Palasttor bringt. Ich bete für deinen Erfolg, und so Gott will, werden wir uns wiedersehen.«
    Ich kam nicht mehr dazu, mich von Alys zu verabschieden.
    Da ich die kleine Mamass in unseren gefährlichen Plan nicht einweihen wollte, suchte ich Doktor Friedrich auf und bat ihn, dem Weißen Schwan mitzuteilen, dass es ihrem Sohn gut gehe und er unterwegs nach England sei. Friedrich verzog das Gesicht. »In dieser Angelegenheit habe ich schon einmal Kopf und Kragen riskiert«, sagte er bedauernd.

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