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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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der Hand über den Deckel und wickelt es vorsichtig in ein Wachstuch. »Ich werde darauf aufpassen wie auf mein eigenes Leben«, sagt er und atmet tief ein. »Du wirst keinen Grund haben, mich zu schelten, wenn du zurückkommst, Sidi. Ich werde mein Möglichstes tun, um deinen Anforderungen gerecht zu werden.«
    Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal mit so viel Respekt behandelt wurde, trotzdem habe ich das Gefühl, ihn nicht zu verdienen.
    Ich erwähnte bereits, dass ich noch eine Aufgabe zu erledigen habe. Die Übergabe des Diwanbuches war meine letzte Amtshandlung. Doch es gibt noch etwas anderes, das viel wichtiger ist.
    An diesem Abend verlässt der Sultan seine Gemächer nicht, sodass ich nach dem Gebet nicht wie üblich nach links abbiege, wenn ich aus der Moschee komme, um in die Gemächer des Sultans zurückzukehren, sondern nach rechts und den Weg in die Stadt einschlage.
    Zu dieser Nachtstunde ist es in der Medina unheimlich. Meine Schritte hallen durch die schmalen Gassen, sodass es klingt, als würde ich verfolgt, und ständig blicke ich mich um. Als eine Katze aus einem Hauseingang huscht, macht mein Herz einen Satz wie ein ängstlicher Hase. Und als ich an meinem Ziel an die Tür klopfe, ist es so laut, dass ich befürchte, jeden Augenblick könnte die Wache angelaufen kommen.
    Daniel al-Ribati öffnet die Tür. Einen Augenblick stehen wir nur reglos voreinander und starren uns an. Dieser Tag hat uns beiden allerhand abverlangt. Sein Gesicht ist eingefallen, und ich sehe bestimmt nicht besser aus.
    »Tritt ein, Nus-Nus«, sagt er und lässt mich herein.
    Wir umarmen uns, jetzt sind wir noch stärker aneinander gebunden, Mitverschwörer, in derselben Gefahr geeint.
    Ich brauche die Frage, die mir auf der Zunge brennt, gar nicht erst zu stellen, denn er lächelt und zeigt mit dem Kopf an die Decke. Oben betreten wir ein kleines Zimmer, das von einer Kerze erleuchtet ist. Inmitten des goldenen Scheins liegt eine kleine Gestalt in eine gestreifte Decke gehüllt. Ich knie vor ihr und nehme die Hand, die oben aus der Decke lugt, in meine.
    »Momo?«
    Einen bangen Augenblick lang erhalte ich keine Antwort, dann rührt sich der Knabe, rümpft die Nase und kneift die Augen zusammen. Schließlich zieht er die Hand zurück, als wollte er wieder in die Vergessenheit zurück.
    »Momo!«
    Dieses Mal öffnet er die Augen. Einen Moment sind sie so schwarz und leer, dass ich fürchte, unser verrückter Plan hätte ihm den Verstand geraubt, doch dann taucht aus dem Dunkeln seine Seele auf und flößt ihnen Leben ein. Er blinzelt und lächelt, als er mich erkennt.
    In meinem ganzen Leben bin ich nicht so erleichtert gewesen wie in diesem Augenblick und drücke ihn fest an mich.
    Über seinen Kopf hinweg sehe ich, wie Daniel mich angrinst. »Siehst du, es geht ihm gut. Ich habe ihm ein Gegengift gegeben, um die Wirkung des Gemeinen Stechapfels aufzuheben, und als er heute Nachmittag aufwachte, hat er einen halben Brotlaib und einen Hähnchenschenkel verschlungen, so schnell wie ein verhungerter Hund. Anschließend hat er geschlafen wie ein Murmeltier. Richtig geschlafen, erholsam.«
    Momo richtet sich auf. Seine Haut ist so durchsichtig wie die eines Geistes, der er ja irgendwie auch ist. »Wo ist Mama?«, fragt er langsam, als kostete es ihn eine riesige Anstrengung.
    »Im Palast. Sie …« Ich halte inne. »Es geht ihr gut …« Was soll ich sonst sagen? Er ist nicht einmal vier Jahre alt. Wie soll er verstehen, was hier vor sich geht und was seine Mutter gerade durchmacht? Ich denke daran, dass ich es ihr irgendwie mitteilen muss, dass er wohlauf ist, sonst wird sie noch vor lauter Sorgen wahnsinnig.
    »Wann kommt sie?«
    »Im Moment kann sie nicht kommen. Aber keine Angst, Momo. Du gehst auf Geheiß deiner Mutter auf eine lange Reise mit mir.«
    Sein Gesicht, das sich kurz aufgehellt hatte, verfinstert sich erneut. Seine Augen werden feucht, doch er ist zu stolz, um zu weinen. »Na gut«, sagt er mit erstickter Stimme. »Wann brechen wir auf?«
    »Morgen. Wir reisen mit einer Maultierkarawane ein paar Tage bis Tanger und von da aus mit einem Schiff nach England, das Land, wo die Familie deiner Mutter zu Hause war. Aber es wird nicht besonders gemütlich sein, Momo, und du musst sehr leise und sehr mutig sein. Schaffst du das? Deiner Mutter zuliebe?«
    Er nickt feierlich.
    »Ich will dir die Truhe zeigen«, sagt Daniel und legt mir die Hand auf die Schulter. »Der Junge soll noch etwas schlafen, morgen

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