Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Haar und tragen nicht nur auf ihr Gesicht venezianisches Bleiweiß auf, sondern auch auf Hals, Arme und das überaus großzügige Dekolletee. Derartige Anblicke bekomme ich im Harem jeden Tag zu sehen, ben Hadou dagegen wird sehr still, so wie immer, wenn er sich stark konzentriert und sich nichts anmerken lassen will, denn es kostet ihn sichtlich Mühe, nicht auf die üppigen Brüste zu starren. Dann nimmt er sich zusammen und verbeugt sich vor der Herzogin, wie es das Protokoll vorschreibt, und stellt mich als seinen Stellvertreter vor. Es scheint ihr nicht das Geringste auszumachen, dass zwei fremde Männer sie bei ihrer intimen Toilette beobachten. Sie lächelt liebenswürdig und streckt uns die Hand entgegen.
»Sehr erfreut, Euch kennen zu lernen, Mr. Nus-Nus. Bitte nennt mich Louise. Es tut mir leid, dass Eleanor Euch gestern Abend völlig in Beschlag genommen hat, doch ich hoffe, dass Ihr es ihr nicht übel nehmt. Ich fürchte, sie weiß nicht, was sich schickt. Natürlich ist es nicht ihre Schuld. Sie wurde ja nicht am Hof geboren.«
Mr. Nus-Nus . In der englischen Höflichkeitsanrede klingt der Name noch lächerlicher, vor allem mit einem derart französischen Akzent. Ich beuge mich über ihre Hand, so wie ich andere gesehen habe, und berühre mit meinen Lippen ganz leicht einen ihrer zahllosen Ringe.
»Ich weiß, dass ich Euch zum Tee eingeladen habe, trotzdem war ich so frei, Kaffee zu bestellen«, erklärt sie lächelnd. »Ich weiß doch, wie gern Mauren Kaffee trinken. Möglich, dass er nicht so stark ist, wie Ihr es gewohnt seid, aber bei meiner zarten Konstitution vertrage ich ihn sonst nicht, und außerdem könnte er ja meine Seele beflecken.«
Ihre Hofdamen kichern. Ben Hadou und ich werfen uns einen ratlosen Blick zu, dann setzen wir uns auf die Stühle, die man uns gebracht hat, während man zwischen unserer Gastgeberin und uns eine Trennwand aufstellt. Wir unterhalten uns über das Wetter, darüber, wie uns der Londoner Hof gefällt, über die Unterschiede zwischen London, Meknès und Versailles, über die Frauenmode in Marokko und über jene hinter der Trennwand, von der wir versuchen, uns nicht ablenken zu lassen, dem unmissverständlichen Rascheln von Seide und dem Zerren an Korsettschnüren. Im Vergleich mit zu Hause ist der Kaffee schwach und schmeckt nach nichts; damit kann man keine Seele trüben. Al-Attar klopft nervös mit den Füßen auf den Boden, und ich weiß, dass er es kaum abwarten kann, dieses Kaffeekränzchen zu verlassen. Je länger wir bleiben, umso kürzer werden seine Antworten. Bald wird die Mittagszeit kommen und wieder gehen.
Endlich taucht die Herzogin auf, in einem Kleid aus roter Seide mit blauen, aufgeschlitzten Ärmeln, unter denen man den feinen Batist hervorschimmern sieht, der sich von ihrer unnatürlich weißen Haut kaum unterscheidet. Plötzlich springt ben Hadou auf und erklärt, er müsse jetzt gehen, er habe eine Verabredung mit dem König. Als ich mich ihm anschließen will, ruft die Herzogin: »Mir diese charmante Gesellschaft so plötzlich vorzuenthalten wäre sehr grausam!« Ich bemerke, dass das Bleiweiß um die herabgezogenen Mundwinkel Risse bekommen hat. Seit Galenos gilt Bleiweiß als Gift. Warum würde eine Frau um eines so umstrittenen Ziels wie der Schönheit willen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen?
Louises Aufschrei ist wahrscheinlich nur dem höfischen Protokoll geschuldet, trotzdem sagt der Gesandte augenblicklich: »Nus-Nus, du bleibst bei Madame – wir kommen auch ohne dich sehr gut zurecht.« Und schon ist er verschwunden.
Die Herzogin schnieft. »Nun, dann werde ich mich wohl oder übel mit dem Stellvertreter des Gesandten begnügen müssen und mir die Kränkung nicht zu Herzen nehmen.« Noch ehe ich eine passende Antwort finde, ruft sie: »Jacob, viens!« Ein kleiner Junge taucht hinter einer orientalisch vergitterten Trennwand auf. Seine weißen Zähne leuchten in dem schwarzen Gesicht. Das dunkle Kraushaar ist so kurz geschoren, dass man den unverwechselbaren, runden Schädel eines Afrikaners erkennt. Er zieht das samtene Wams über die weißen Rüschen seines Hemdes und geht vor ihr auf und ab. »Ça va, madame?« Und als er sich umdreht und mich sieht, fällt er fast um.
»Ici, petit, laisse-moi voir.« Seine Herrin winkt ihn zu sich, und er gehorcht, obwohl er den Blick nicht von mir nehmen kann, als wollte ich ihn schlagen oder auffressen oder noch Schlimmeres. Die Herzogin zupft das Wams straff, fährt mit der Hand
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