Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
darüber, arrangiert die Rüschen und legt ihm liebevoll die Hand auf den Kopf. » Très joli . Das ist mein Boy, Jacob. Jacob, ici Monsieur Nus-Nus, de la court du Maroc .«
Seine großen Augen fixieren mich. Dann sagt er klar und deutlich auf Senufo: »Du siehst meinem Onkel Ayew sehr ähnlich.«
Während ich noch darüber nachdenke, schnippt Louise mit den Fingern. » Les bijoux , Marie.«
Eine der Dienerinnen bringt ein prächtiges Schmuckkästchen, dessen Inhalt die Herzogin in ihren Schoß schüttet. Die Diamanten und Smaragde sind so groß wie Spatzeneier; Ketten und Broschen, Diademe und Armreife, alles aus reinem Gold. Sie geht eine Perlenkette nach der anderen durch, bis sie die findet, nach der sie sucht, und legt sie dem Jungen um den Hals. Danach zeigt sie ihm sein Spiegelbild in einem Handspiegel aus Schildpatt. Und plötzlich muss ich daran denken, welche Freude Momo am Anblick all dieser funkelnden Kinkerlitzchen hätte …
»Habt Ihr eigene Kinder, Sir?«
»Ich bin nicht verheiratet.«
»Danach hatte ich gar nicht gefragt. Mais quel dommage . Ihr hättet schöne Söhne gezeugt. So wie unseren kleinen Jacob.«
Eine Dienerin bringt eine gelbe Schärpe, und es folgt eine Menge Wirbel, bis sie richtig fällt. Man führt sie zum Sessel neben dem Fenster, das auf den Hofgarten hinausgeht, und zupft die Falten ihres Kleides zurecht. Ohne den Blick von der Herzogin zu nehmen, frage ich Jacob, woher er stammt. Er nennt den Namen meines Nachbardorfes, worüber ich nicht allzu verwundert bin. »Hieß dein Onkel Ayew Diara?«
Er nickt heftig.
»Ich habe ihn gut gekannt.« Wenn wir uns Schulter an Schulter stellten, waren wir gleich groß und gleich stark. Die Leute verwechselten uns gelegentlich, zumindest aus der Ferne. Er sagte immer, er sähe besser aus als ich, auf alle Fälle war er selbstsicherer als ich, vor allem im Umgang mit Mädchen. Wir gingen zusammen auf die Jagd und wurden gleichzeitig zu Männern initiiert, doch er lachte über meine Liebe zur Musik, und schließlich lebten wir uns auseinander.
»Er ist ein großer Krieger!«, sagt Jacob. »Aber dann hat er das Dorf verlassen und ist nie zurückgekehrt.«
Der Junge muss etwa so alt wie Momo gewesen sein, als Ayew und ich gefangen genommen wurden. Er hat ein gutes Gedächtnis. Ich auch, leider. Ich erinnere mich, wie der feindliche Stamm, der uns erwischt hatte, Ayew unter der sengenden Sonne an einen Pflock fesselte, nachdem sie ihm Augenlider, Lippen, Nase, Ohren und Penis abgeschnitten hatten. Die Zunge durfte er behalten; es war grauenhaft. Seine Schreie verfolgten uns einen ganzen Tag lang.
»Ein großer Krieger, ja. Und wie bist du hierhergekommen?«
»Der Stamm im Süden wollte unser Land, also kämpften wir. Sie haben gewonnen. Ich habe auf dem Schiff der Leute überlebt, an die sie uns verkauften, meine Mutter und mein Bruder nicht.« Sein Gesicht verdüstert sich.
Von unseren eigenen Leuten besiegt und als Sklaven verkauft, die alte, ewig gleiche Geschichte.
Plötzlich kommt der Maler hereinstolziert, zwei Assistenten folgen ihm mit der Staffelei, den Farben und der Leinwand. Er küsst Louise die Hand, gratuliert ihr zu ihrer unvergleichlichen Schönheit, wandert zwischen dem Modell und dem unfertigen Gemälde hin und her, bringt ein Tüpfelchen hier und eins dort an und plappert die ganze Zeit auf Französisch. Von Weitem hört er sich ein bisschen so an wie Amadou.
Mit einem Mal wendet er sich zu uns um. »Wo ist der Mohr?«
Jacob schlendert lustlos hinüber und nimmt neben seiner Herrin Platz. Der Künstler beschwert sich, man sähe zu viel von den Ärmeln, die Perlen wären völlig unpassend. Er packt den Kopf des Jungen und dreht ihn unsanft hin und her, als wäre er eine Holzpuppe. »Prends ça et ne bouge pas!« Man legt ihm eine große Muschel in die Hand, die vor Perlen überquillt.
Jacob verdreht die Augen. »Ich bin ein Symbol für die Beute aus den Kolonien.«
»Ruhe jetzt!«
Ich nehme dies als Stichwort, um mich zu verabschieden, verbeuge mich vor der Herzogin, grinse Jacob zu und gehe zur Tür. Dabei erhasche ich einen kurzen Blick auf das halb fertige Gemälde. Der Künstler hat Jacob sehr gut eingefangen, aber aus irgendeinem Grund seinen Sklavenring ignoriert. Die Frau auf dem Gemälde dagegen sieht ganz und gar nicht wie die Herzogin aus, ihr Gesicht ist schmaler und nichts sagend. Schlank und ausdruckslos, gilt das hier als erstrebenswert? Ich schüttele den Kopf, während ich an Zidanas irrationale
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