Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Münze für die Magd und öffne lächelnd die Tür.
Doch ehe ich mich’s versehe, liege ich flach auf dem Rücken, Rafik setzt mir einen Fuß auf die Brust und hält mir ein Messer an die Kehle. »Die Tür«, zischt er, und dann steht plötzlich auch Hamza im Zimmer.
Amadou klammert sich laut kreischend an die Stange des Himmelbettes.
»Stopf dem verdammten Affen das Maul!«
Hamza versetzt ihm einen wuchtigen Schlag, woraufhin Amadou durch die Luft fliegt und mit einem dumpfen Geräusch gegen die Wand prallt. Ich höre, dass sein kleiner Körper wie ein Stein zu Boden fällt.
»Wo steckt er?«, will der Tafraouti wissen.
»Wer?«
»Der Knabe. Der Sohn des Sultans.«
Der Schock verlangsamt meine Gedanken. Wie kann es sein, dass sie davon wissen? »Der Sohn des Sultans? Er hat so viele, welchen meint ihr?«
»Stell dich nicht dumm!« Hamza tritt mir in die Rippen. Er trägt englische Schuhe aus hartem Leder; es schmerzt. »Der, den man für tot und begraben hielt. Der Sohn der englischen Frau. Wir wissen, dass er bei dir ist, wir wussten nur nicht, warum, aber mittlerweile ist auch das klar.« Er blickt auf mich herab und reibt Daumen an Zeigefinger. »Du wolltest in London ein Vermögen machen, nicht wahr?«
Dieses Mal ist die Verblüffung auf meinem Gesicht echt. »Lasst mich los. Ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet.«
Er tritt erneut zu, und mir bleibt die Luft weg. Ich merke, wie das Bier durch die Speiseröhre aufsteigt, und es schmeckt nicht so gut wie eben beim Trinken.
»Hör auf damit und durchsuch lieber das Zimmer!«, sagt Rafik wütend. Dann kniet er neben mir nieder. »Du bist schuld daran, dass man meinen Onkel an ein Maultier fesselte und durch die Wildnis schleifte, bis die Haut in Fetzen von seinem Körper hing und seine Knochen zerbrachen wie Äste. Also werde ich nicht zögern, dir den Hals aufzuschlitzen, wenn es sein muss, um meinen Onkel zu rächen. Und jetzt sag uns, wo der Bengel steckt. Ich weiß, dass er hier irgendwo ist. Niemand sonst kann gesehen haben, wie ich die Tasche mitgenommen habe. Dafür hatte ich gesorgt. Mal abgesehen von diesem verdammten Affen, aber der kann nicht sprechen.«
Nun, das löst einen Teil des Rätsels, doch woher weiß er, dass Momo ihn gesehen hat? Dann fällt es mir mit einem mulmigen Gefühl ein: Alys’ Schriftrolle – vermutlich hat sie ihren Sohn darin erwähnt, und Rafik muss meine Tasche gründlicher untersucht haben, als ich angenommen hatte. Vielleicht hat er die Rolle gefunden, und der englische Konvertit hat sie ihm dann vorgelesen. Mir wird erst heiß, dann kalt. Was war ich doch für ein Narr!
»Hier ist niemand«, erklärt Hamza und setzt sich schwer auf das Bett. »Was hast du mit ihm gemacht, hä?« Sein Blick wird listig. »Sag es uns, wir behalten es für uns und teilen das Lösegeld untereinander auf. Der Sultan wird nie etwas erfahren.«
Rafik fährt ihn zornig an. »So ist es recht! Nicht nur gierig und hinterhältig, auch noch ein Verräter, du Ungläubiger! Der Sultan ist mein Herr. Wir müssen den Jungen finden und ihn zurückbringen. Aber zuerst schlitzen wir diesem Hundesohn die Kehle auf.«
»Beruhige dich. Das verdammte Schloss ist riesig; er kann den Jungen überall versteckt haben – vielleicht hat er ihn ja sogar in die Stadt geschmuggelt. Ich hab dir doch gesagt, dass er schon da war und Erkundigungen eingezogen hat. Wir müssen ihn am Leben lassen oder wir finden den Bengel nie.«
Daraufhin presst mir Rafik sein kleines Messer noch stärker an die Kehle. Ich spüre, wie sich die Haut strafft und dann mit einem unerwarteten Schmerz nachgibt. Im nächsten Moment schlägt der Schmerz um in blinde Wut, dann werfe ich Rafik mit einem Schlag ab und springe auf, bereit zum Kampf. Er fällt nach hinten gegen den Tisch, und das lackierte Tablett samt Inhalt kracht unter schrecklichem Getöse auf den Boden. Mir schießt durch den Kopf, dass ich beide töten muss, denn wenn sie nach Marokko melden, was sie wissen, ist Alys eine tote Frau. Die Panik, die dieser Gedanke in mir auslöst, verleiht mir Kraft. Mit der einen Hand packe ich Rafik am Hals und mit der anderen die Hand, in der er das Messer hält. Wumm! Wir prallen gegen den wuchtigen Holzschrank, wobei eine der großen Türen aufspringt und Hamza ins Gesicht trifft. Sein blubbernder Mund stößt einen Schwall von Flüchen aus. Bei seinem Geschrei und Rafiks aggressiven Drohungen höre ich nicht, wie mit einem Male die Tür aufgeht und bewaffnete Wachen in das
Weitere Kostenlose Bücher