Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
der in meinem Zimmer war, den Konvertiten?«
Nachdem sie es mir beschrieben hat, verbeuge ich mich feierlich und verlasse hastig die Küche, ehe ich noch einen von uns in eine heikle Lage bringe. Die Verliese befinden sich in unterirdischen Gewölben. Den Wächter besteche ich mit einer Goldmünze, damit er mir zehn Minuten mit dem Gefangenen gewährt.
»Schlagt ihm nicht ins Gesicht, das ist alles, worum ich bitte«, sagt er und schnauft vor Lachen.
Als er unsere Schritte hört, blickt Hamza erwartungsvoll auf, doch als er mich sieht, verfinstert sich sein Gesicht. Seine Nase ist ein schwarzer Blutklumpen; wahrscheinlich hat er sie an der Tür des Schrankes gebrochen. »Was willst du, Eunuch?«
Der Wächter lacht. »Sagt mir Bescheid, wenn Ihr Hilfe braucht«, bietet er an. Dann lässt er mich in die Zelle. Ich warte, bis seine Schritte im Gang verklingen, bevor ich an den Konvertiten gewandt sage: »Wo ist sie?«
»Wo ist was?«
»Die Tasche, die ihr aus meinem Zimmer gestohlen habt.«
»Nicht ich habe sie gestohlen.«
»Aber du hast sie gesehen.«
Er starrt mich mit seinem verschlagenen Blick an und kratzt an einem Leberfleck im Gesicht. »Warum willst du das unbedingt wissen?«
»Weil ich sie brauche.«
Er lächelt. Ein grausiger Anblick. »Tut mir leid um den Affen.«
Ich weiß, dass er lügt. Dann zeige ich ihm die Goldmünze. »Sag mir, wo die Tasche ist.«
Der Kerl blickt mich verwundert an. »Was willst du mit dem alten Ding? Für das Gold kannst du dir in den Gerbereien von Fès hundert neue kaufen. Oder hast du eine Goldquelle, die nicht versiegt?« Er beugt sich vor. »Sieh mal, wir könnten Rafik leicht ausschalten. Ich sehe doch, dass ihr euch nicht grün seid. Ich wäre dir sehr nützlich, verstehst du, ich kenne mich in London aus und bin schnell zu Fuß, schnell genug, um dir zu diesem Tuchhändler zu folgen, ohne dass du es merkst. Ich habe jedes Wort gehört. Wir wären ein gutes Paar, ganz bestimmt. Na los, schlag ein, wir teilen uns das Lösegeld für den Bengel und sorgen dafür, dass Rafik in einer dunklen Gasse über den Tod stolpert.«
So sind sie also dahintergekommen. Doch die Erleichterung, die mich überschwemmt, ist nicht von Dauer. Ich muss immer noch dafür sorgen, dass es keine Beweise gibt. »Du hast die Wahl, Hamza. Entweder du sagst mir, wo die Tasche ist, und nimmst das Geld für deine Mühen, oder ich gehe und überlasse dich hier deinem Schicksal.«
Er zuckt die Achseln und verrät es mir. Ich hätte meinen Teil der Abmachung einhalten und einfach gehen sollen, stattdessen lasse ich meinen niederen Instinkten freien Lauf und verpasse ihm einen wuchtigen Tritt zwischen die Beine.
»Das ist für den Affen!«, sage ich mit aufrichtiger Genugtuung.
Zwanzig Minuten später halte ich die Tasche in der Hand. Sie ist unversehrt, stinkt allerdings fürchterlich nach Pferdeäpfeln. Kein Wunder, sie haben sie im Misthaufen der Stallungen versenkt. Im hellen Schein des Mondes erkenne ich meine armselig gehefteten Nähte wieder, die ebenfalls unversehrt sind. Die Schriftrolle ist noch da, wo ich sie versteckt hatte. Ich reiße die Nähte auf, nehme sie heraus und stecke sie unter dem Burnus an mein pochendes Herz.
Ich werde den Konvertiten umbringen müssen und Rafik auch, doch solange der Junge in Sicherheit ist, haben sie zumindest keine Beweise. Zuerst muss ich die Rolle entweder dem König zukommen lassen oder zerstören und Alys’ und Momos Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Amadou begrabe ich in einem Rosenbeet im Hofgarten. Es ist ein friedlicher Ort. Und wenn ich das nächste Mal irgendwo Rosen blühen sehe, werde ich an ihn denken.
FÜNFUNDDREISSIG
Z u Mariä Lichtmess wird die Gesandtschaft eingeladen, die große Westminster Abbey zu besuchen und der Kerzenprozession beizuwohnen, die den Einzug Christi, des Lichts der Welt, in den Tempel symbolisiert, vierzig Tage nach seiner Geburt. Ben Hadou lehnt die Einladung höflich ab. Er sei ein gläubiger Muselman, erklärt er, und für Mohammedaner sei Christus nur ein Prophet. Zwar werde er dafür verehrt, dass er Gottes Wort verkündete, doch sei er trotzdem ein sterblicher Mensch gewesen.
»Ich habe gehört, dass die Abtei ein architektonisches Wunder sein soll«, bemerkt Sharif. »Sicherlich würden wir keinen Schaden nehmen, wenn wir das Gotteshaus besichtigen, ohne an den religiösen Ritualen teilzunehmen. Ich fürchte, wir könnten sie beleidigen, wenn alle die Einladung ablehnten.«
»Na schön, dann soll
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