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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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fast wie in einer Apotheke. Ich beuge mich vor und lese: »Vipernfleisch«, »Goasteine«, »Hiera Picra«, »Spinnenseide«, und erwarte, als Nächstes auf einen Behälter mit den Wimpern einer Maus oder den Zähnen eines Drachen zu stoßen, denn irgendwie erinnert es mich an Sidi Kabours Warenlager. An einer Wand steht ein zylinderförmiger Brennofen, die Kohlen darin glühen rot und ringsum liegen Häufchen von dunklem Metall, Pulver und Asche. Der Raum ist düster, und es riecht nach Schwefel, auf den Tischen stehen Schalen und Töpfe, Destilliergefäße und Schmelztiegel, Mörser und Stößel, alle von unterschiedlichen Substanzen verfärbt. Auf einem der Tische steht eine Sammlung von Glasbehältern mit Larven und Föten von Tieren, und auf ein Brett ist ein Nagetier genagelt, sodass man dessen Organe und Skelett sieht. Ich denke an Zidanas Geheimkammer, und plötzlich stehen mir die Haare zu Berge.
    »Vielleicht sollte ich lieber einen Chirurgen aufsuchen und mir den Zahn samt Wurzel ziehen lassen?«
    »Unsinn, lieber Freund. Es gibt keinen Grund, weshalb Ihr Euch solchen Barbaren und ihren Zangen und Hebeln ausliefern solltet. Nathaniel hat ein wundersames Amalgam entwickelt, das in jedes Loch und in jede Ritze dringt und hart wie Stein wird.«
    »Seid Ihr Alchemist, Sir?«, frage ich.
    »Ich würde mich lieber als Naturphilosoph bezeichnen lassen«, entgegnet Nathaniel fröhlich. »Einer, der die verborgenen Gesetze des Universums erforscht.«
    »Trotzdem fühlen sich visionäre Männer wie wir, die nach Beweisen für das reine Wesen der göttlichen Schöpfung suchen, keineswegs beleidigt, wenn man uns Alchemisten nennt«, erklärt Mr. Ashmole und klopft mir auf die Schulter. »Setzt Euch hierhin, damit wir uns das Übel ansehen können. Reicht Ihr mir bitte die Kerze, Nathaniel?«
    Neugierig werfen sie einen Blick in meine Mundhöhle. »Bemerkenswerte Zähne«, sagt Ashmole. »Um einen Zahn mit so festen Wurzeln zu ziehen, müsste man eine ordentliche Portion Kraft aufwenden.«
    »Auf beiden Seiten ein abgebrochener Backenzahn, kinderleicht!«, ruft Mr. Draycott. »Ein bisschen von meiner patentierten Mischung, und schon sind sie wie neu.«
    »Eigentlich schmerzt der Zahn gar nicht mehr«, lüge ich. »Ich glaube, ich kann ganz gut damit leben.«
    Doch Mr. Draycott ist bereits dabei, zielgerichtet seine Zutaten zu mischen. »Ein bisschen Zinn, ein bisschen Zink«, murmelt er, »eine Prise Kupfer, ein Tropfen Vitriol …« Es folgt ein lautes Zischen im Tiegel, die Flammen des Spiritusbrenners lodern grün auf, danach blau, und anschließend breitet sich ein entsetzlicher Gestank im Raum aus. Er mischt frenetisch weiter, nimmt den Tiegel aus dem Feuer und greift nach einer schweren Flasche. »Jetzt müssen wir das Ganze kurz abkühlen lassen, bevor wir das Quecksilber hinzufügen …«
    Der Rauch macht mich nervös. Ich springe auf, die Flasche fliegt durch die Luft, und dann regnet es überall kleine silberne Metallkügelchen. Was eine Flüssigkeit werden sollte, kullert nun in der Gestalt von Silberkugeln über meinen Burnus und den Boden, während ich nur noch verwundert staunen kann.
    Mr. Draycott lacht. »Ah ja, Sir, Quecksilber ist eine bemerkenswerte Substanz, weder flüssig noch fest, die Urmaterie, aus der sich alle anderen Metalle ableiten. Noch mehr, es ist das transzendierende Prinzip der Transmutation, wie Hermes bewegt es sich zwischen Himmel und Erde und bringt Leben und Tod. Genau wie Kalomel ist es eine starke Medizin, mit der sich sogar die schlimmsten Seuchen bekämpfen lassen, doch wenn man es dem Sonnenlicht aussetzt, verwandelt es sich in tödliches Gift.«
    »Bei Gott, eine derart tödliche Substanz möchte ich keineswegs im Mund haben«, erkläre ich entschieden.
    Mr. Ashmole führt die Kerze nah an sein Gesicht und zeigt mir eine Reihe von schwarzen Zähnen, die mit Metall überzogen sind. »Fünfzehn Jahre habe ich sie jetzt schon. Ich war Nathaniels erster Patient. Und er hat eine Menge Leben gerettet. Nicht nur die Zähne. Er hat mir den Knochen in meiner Schreibhand repariert und mich mit einer seiner Spinnenhalsketten vor dem Dreitagefieber bewahrt.«
    Spinnenhalskette? Mr. Draycott und Zidana würden sich bestens verstehen.
    Mr. Ashmole bemerkt meine Skepsis und lächelt nachsichtig. »Für wie alt haltet Ihr mich wohl, Sir? Keine Angst, Ihr werdet mich nicht beleidigen. Ich verübele Euch nichts.«
    »Fünfzig, vielleicht zweiundfünfzig?«, rate ich.
    »Fünfundsechzig!«,

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