Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
lächerlich wie ein Papagei mit Haube.
»Grässlich«, antworte ich knapp und vergesse vorübergehend meine guten Manieren.
Sie bricht in Gelächter aus und stößt mich spöttisch mit der Illustrierten an. »Ach, Männer haben wirklich keine Ahnung von Mode.«
»Ich wollte Euch nach Eurem kleinen Pagen fragen.«
»Jacob?«, sagt sie und blickt mich überrascht an. »Vorhin war er noch hier.«
»Nein, nicht Jacob. Der Jüngere.«
Ihr Gesicht verdunkelt sich. »Oh, Miette? Jacobs kleiner Cousin? Er ist ja wirklich süß, aber ich fürchte, dass ich ihn nicht behalten kann.« Dann beugt sie sich vertraulich vor. »Er hat – wie sagt man noch? Lange Finger.«
Ich blicke sie verständnislos an.
» Un voleur! Er ist ein raffinierter kleiner Dieb. Mes pauvres bijoux! Gestern Nachmittag habe ich drei Perlenketten und meine schönste Smaragdbrosche zwischen seinen Sachen gefunden. Angesichts meiner Finanzen und nachdem ich gestern Abend beim Basset-Rennen so viel Geld verloren habe, bin ich auf die Idee gekommen, ihn zu verkaufen. Der Händler hat mir ein gutes Angebot gemacht.«
»Wie gut es auch sein mag, ich zahle Ihnen das Doppelte!«, rief ich. »Das Dreifache!«
»Dafür, cheri , können Sie Jacob auch gleich mitnehmen!« Louise tätschelt meinen Arm. »So weit ist es schon gekommen, dass ein Mohr sich von Mohren bedienen lassen will? Oje, die Welt steht Kopf!«
Fünf Minuten später laufe ich mit einem Namen und einer Anschrift in der Tasche über den Turnierplatz und weiter zum St. James’s Park.
Das Pech bleibt mir treu. Der Händler, Mr. Lane, ist nicht zu Hause in Pall Mall, sondern hat sich zu seinen Geschäftsräumen in Cornhill begeben – das klingt beunruhigend ländlich und fern. Ich schreibe mir die Adresse auf, die mir sein Diener diktiert, und rufe nach einer Droschke. Der Fahrer willigt gegen einen überhöhten Preis ein, mich zu fahren, aber nur, wenn ich neben ihm auf dem Kutschersitz Platz nehme. »Ich kann es mir nicht leisten, dass man sieht, wie Ihr hinten sitzt. Das würde meiner vornehmen Kundschaft ganz und gar nicht gefallen.«
Ich bin versucht, den Weg zu Fuß zu gehen, doch dann schlucke ich meinen Stolz hinunter, und die Vorurteile des Mannes kommen mir zugute, denn der Blick vom Kutschersitz ist wirklich berauschend. So rollen wir durch die geschäftigen Straßen der Hauptstadt, und bald erkenne ich sogar Marksteine und Straßen wieder. Dahinten ist der Fluss, dort ist das Haus, wo ich zusammen mit Mr. Ashmole bei Mr. Draycott zu Gast war, da drüben die Abzweigung zur Chancery Lane, die Richtung Norden zum Sitz der Royal Society führt. Es ist beruhigend, die Geografie der Stadt allmählich etwas besser zu verstehen. Sie ist kleiner, als ich anfangs gedacht hatte. Und als wir in Cornhill ankommen, tröste ich mich mit der Erkenntnis, dass ich die Strecke zur Not auch zu Fuß zurücklegen könnte, ohne vor den Londonern Kutschern kriechen zu müssen. Aber dann fällt mir ein, dass ich Momo dabeihaben werde, und die Beine eines kleinen Jungen sind etwas anderes. Nun ja, dem Problem werde ich mich stellen, wenn es so weit ist, sage ich mir, immer noch voller Optimismus, und zahle dem Kutscher seine zwei Shilling.
Nichts ist einfach. Ich sehe mir die Anschrift genauer an. »Jonathan’s, Change Lane, Cornhill«, habe ich mir notiert. Das klang in dem Moment ganz einfach, doch jetzt stellt sich heraus, dass die Straße ein eigenständiges kleines Reich ist, ein Gewirr von Gassen und Gabelungen, alle düster und schluchtartig, da die Sonne nicht bis hierher dringt. Die Stimmen der jungen Männer, die mich überholen, verhallen zwischen den gewaltigen Gebäuden, doch sie sind zu sehr mit sich selbst und ihren Unterhaltungen beschäftigt, um Notiz von einem Fremden zu nehmen, der eine Anschrift sucht. Ich komme an Perückenläden, Pfandhäusern und Schenken vorbei, doch der hervorstechendste Duft ist der nach Kaffee. Schließlich halte ich einen Burschen an, der einen Sack geschultert hat. »Ich suche Jonathan«, sage ich. »Jonathan Lane.«
Er schaut mich verwirrt an. »Wen?«
»Den Sklavenhändler.«
»Ich kenne keinen Jonathan Lane, aber Jonathan’s ist hier gleich um die Ecke.« Er zeigt auf ein großes Kaffeehaus in den Kolonnaden. »Da machen die Händler ihre Geschäfte.«
Jonathan’s ist eine riesige, laute Höhle voller ernst dreinblickender Männer mit Dreispitzen, die sich über dicht zusammengequetschte Tische hinweg eifrig miteinander unterhalten. Ich schnappe
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